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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Vorsitzend e: Hat sie Mittags eine Stunde frei? Experte Tobola: Nein; der Laden muß doch offen bleiben.

Vorsitzende: Wie ist es dann mit dem Essen? Exp. Tobola: Das muß sie sich irgendwie beschaffen, darum kümmert man sich nicht. Sie muß entweder Jemanden beistellen, der über Mittag dort ist oder, wie das oft vorkommt, sie erhält das Essen vom Meister in's Geschäft geschickt. Zum Essen haben die Mädchen auch in der Centrale keine Pause.

Vorsitzende: Ist es häufig, daß die Mädchen Kost und Wohnung haben? Exp. Tobola: Das ist die Regel. Die Mädchen werden meistens ebenso gehalten wie die Dienstboten. Sie schlafen gewöhnlich mit den Dienstboten zusammen im sogenannten Dienstbotenzimmer. Es gibt Betriebe, wo sie sehr schöne Zimmer znr Verfügung haben, und solche, wo diese Zimmer finster und dumpfig sind.

Vo rsitzende: Wie ist die Kost? Exp. Tobola: Ich habe noch nicht mitgegessen. Gewöhnlich essen sie beim Herrentisch.

Wittelsh öfer: Sind Mädchen im Bäckereigewerbe nur als Ver­käuferinnen beschäftigt? Exp. Tobola: Ja, zum Betriebe werden sie nicht verwendet, wenigstens in Wien nicht.

Wittelshöfer: Wie ist es am Sonntag? Exp. T o b o l a : Da ist das Geschäft auch den ganzen Tag offen.

Wittelshöfer: Wie ist es mit dem Ausgang solcher Mädchen, die in einem Geschäfte allein sind? Exp. Tobola: Da muß sich die Frau oder sonst ein Familienmitglied in den Laden stellen.

Wittelshöfer: Die Arbeit ist also dadurch anstrengend, daß sie den ganzen Tag im Geschäft sein müssen? Exp. Tobola: Ja. Schwer zu arbeiten haben sie nicht. Die Vocale, in denen sie sich aufhalten, sind aber ungesund. Es wird dort nicht geheizt und auch nur wenig gelüftet, und so müssen sie den ganzen Tag den Dunst vom Gebäck einathmen. Das führt auch zu Erkrankungen, Magenkatarrhen, durch den Zug zu Rheu­matismus u. s. w.

Vorsitzende: Um welche Stunde wird das Gebäck in der Früh fertig? Exp. Tobola: Das richtet sich nach der Art des Betriebes. Ich habe in Wien in Betrieben gearbeitet, wo die erste Tour um 2 Uhu Morgens ausgebacken war und dem Hausirer eingezählt worden ist und die nächste um 5 Uhr Früh. Das Einzählen muß die Verkäuferin besorgen. In diesem Betriebe war aber kein Ladenmädchen; dort aber, wo Laden­mädchen sind, müssen sie damit so um 4 Uhr^ herum anfangen, das ist regelmäßig.

Wittelshöfer: Kommt es nicht vor, daß die Mädchen im Laufe des Tages frei werden? Exp. T o b o l a : Es könnte allerdings sein, aber es geschieht nicht.

Dr. Frey: Wer zieht in den Geschäften die Losung ein? Wird da nicht abgerechnet? Exp. Tobola: Das ist ganz regellos. Vor zwei Jahren war eine große Schwurgerichtsverhandlung; es sind einem Bäcker­meister über fl. 1000 gestohlen worden. Da war das Ladenmädchen mit anderen Leuten einverstanden. Er hat das gar nicht gespürt, daß ihm sl. 1000 weggekommen sind. Uebrigens stehen die Verkäuferinnen ja unter fortwährender Aufsicht, weil der Meister sehr oft im Laden verkehrt, und gewöhnlich stoßt die Wohnung unmittelbar an den Laden an. Wenn Eine etivas einsteckt, könnte es leicht bemerkt werden.

Dr. Ofner: Ist in den Filialen nur ein Mädchen oder sind mehrere? Exp. Tobola: Immer eines. -Es gibt aber auch Filialen, welche eine ganze Familie auf Rechnung hat. So hat zum Beispiel die Mendl'sche Brotfabrik eine Anzahl Filialen errichtet, welche.mit ganzen Familien besetzt wurden. Das sind schon beinahe selbstständige Geschäftsleute.

Dr. Ofner: Kommt es nicht vor, daß ein Mädchen blos Verkäuferin