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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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nichts dreinzureden. Er erlaubt sich uns gegenüber auch keine Unzukömmlich­keiten. Von den Arbeiterinnen ist nur eine verheiratet, die ist 27 Jahre alt. Die anderen Arbeiterinnen stehen im Alter von 47 bis 36 Jahren; es sind aber meist jüngere Mädchen.

Dr. Frey: Wird in der Werkstätte, wo Sie arbeiten, auch geschlafen?

Exp. Nr. 116: Nein.

Dr. Schüller: Wie viel Hemden machen Sie durchschnittlich im Tag ?

Exp. Nr. 116: Eine Vorrichterin und eine Maschinnäherin zusammen acht bis neun Stück.

Dr. Schmid: Werden Sie zur Arbeit angetrieben? Expertin Nr. 116: Nicht besonders.

Dr. Schüller: Wer macht die Knopflöcher, und wie wird diese Arbeit bezahlt? Exp. Nr. 116: Dafür sind vier Arbeiterinnen da, welche 10, 12, 17 und 25 kr. per Hemd bekommen.

Vorsitzender: Wie viel Löcher hat das Hemd zu 10 kr.? Exp. Nr. 116: Zwölf bis vierzehn.

Vorsitzender: Warum werden für die einen Hemden 10 kr., für die anderen 25 kr. und mehr gezahlt? Exp. Nr. 116: Das liegt in der Ausführung und in der Qualität.

Vorsitzender: Was verdienen die Knopflochnäherinnen? Exp. Nr. 116 : fl. 4, 5, selten fl. 6. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich trinke in der Früh zu Hause Kaffee, Gabelfrühstück nehme ich nicht. Zu Mittag esse ich jeden Tag etwas Anderes vom Gasthause. Das Zehnte kaun man ja nicht essen. Gewöhnlich gebe ich 10, 12 bis 20 kr. aus. Wenn ich 10 kr. ausgebe, bekomme ich dafür Suppe, Gemüse und Brot. Ich esse mit einer anderen Arbeiterin in Compagnie; da kaufen wir uns gewöhnlich zusammen eine Portion Fleisch oder Mehlspeise, weil wir Beide nicht viel essen. Unter den anderen Mädchen, die dort essen, sind höchstens zwei, die sich Fleisch kaufen; die übrigen essen Gemüse, Suppe, dann und wann eine Mehlspeise. Abends esse ich zu Hause Nachtmahl. Unsere Wohnung, die hübsch weit draußen im X. Bezirk gelegen ist, besteht aus Zimmer, Cabinet und Küche. Es wohnen darin die Eltern und wir fünf Kinder. Von meinen Colleginnen hat nur eine blos ein Bett; die anderen haben Cabinets, sofern sie nicht bei den Eltern wohnen. Meine Eltern zahlen für die Wohnung fl. 12 monatlich. Ich gehöre dem Fachverein und der Bezirks-Krankencasse an. Unfälle kommen bei uns im Gewerbe nicht vor. Ich habe keine Unter­stützungen an dritte Personen zu geben.

Dr. Schmid: Wie viel Betten sind in Ihrer Wohnung? Expertin Nr. 116: Vier.

Dr. Schmid: Wie viel Lohn haben Sie anfangs gehabt, und wie ist das gestiegen? Exp. Nr. 116: Als ich frei wurde, bekam ich fl. 1. Dann bin ich zu meiner jetzigen Frau und habe vielleicht ein Jahr lang sl. 3 Lohn gehabt.

Dr. Schmid: Wird an Sonn- und Feiertagen gearbeitet? Exp. Nr. 116 : An Sonntagen nicht, an Feiertagen manchmal, wenn dringende Arbeit ist, einen halben oder drei Vierteltag. Wenn ich an einem solchen Feiertag nicht kommen will, so muß ich mir eine Ausrede machen. Wenn an einem Feiertag nicht gearbeitet wird, so wird er abgezogen.

Vorsitzender: Können Sie der Frau nicht ruhig sagen: Morgen ist ein Feiertag, ich will nicht arbeiten? Exp. Nr. 116: Das ist nicht üblich. Das wäre der Frau nicht angenehm, und es sagt das Niemand.

Dr. Ofner: Wann wird das Local ausgekehrt? Exp. Nr. 116: Jeden Abend, vom Lehrmädchen. Ausgerieben wird jeden Mittwoch. Zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten werden die Wände geputzt.

Dr. Osner: Besorgt das Alles auch das Lehrmädchen? Expertin