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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Nr. 118: Das macht die Köchin, und das Lehrmädchen muß ihr dabei helfen.

Dr. Ofner: Wo schläft das Lehrmädchen? Exp. Nr. 116: Ich glaube in der Küche, wo die Köchin schläft, oder im Vorzimmer.

Dr. Ofner: Was bekommt sie zu essen? Exp. Nr. 116: Zu Mittag bekommt sie Suppe, Fleisch und Gemüse, was eben für Alle gekocht wird; um 10 Uhr hat sie ein Brot, und zur Jause Kaffee und eine Semmel.

Dr. Ofner: Gibt es in Ihrer Branche durch das ewige Sitzen irgend eine specielle Krankheit? Exp. Nr. 116: Die Maschinnäherinnen, die den ganzen Tag mit den Füßen arbeiten, werden eben sehr müde und sind auch manchmal unwohl; aber das dauert selten mehrere Tage.

Stroß: Was geben Sie, abgesehen von dem, was Sie zu Mittag brauchen, von Ihren fl. 6 zu Hanse ab? Exp. Nr. 116: Alles Uebrige. Kleidung und Sonstiges bestreiten die Eltern.

Expertin Nr. 117 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin in dem­selben Betriebe wie die frühere Expertin seit 1'Z Jahren als Maschin- nüherin beschäftigt. Ich bin überhaupt seit 16 Jahren Näherin; ich habe keine Lehrzeit durchgemacht. Unsere Arbeit ist eine ununterbrochene. Es geht im Winter zwar schwächer, wir müssen aber nicht aussetzen. Es gibt jedoch Geschäfte, in denen im Winter drei, vier Tage in der Woche ausgesetzt werden muß. Ich bin durch die Zeitung in's Geschäft gekommen. Alle, die in unserer Branche Arbeit suchen, finden dieselbe vorwiegend durch die Zeitung. Ich verdiene wöchentlich fl. 8 im fixen Wochenlohn. Die anderen Näherinnen haben alle weniger, fl. 6, 6'50 und 7. An Material habe ich nur die Maschinnadeln beizustellen. An manchen Tagen, wenn schlechte Arbeit ist, kann man vier bis fünf Nadeln zerbrechen. Das Stück kostet 4 kr., das macht also 20 kr. aus. Im Durchschnitt kann man in der Woche 40 bis 50 kr. für Nadeln rechnen. Ich nehme keine Arbeit nach Hanse. Strafen und Abzüge kommen bei uns nicht vor. Unsere Arbeitszeit ist von 7 bis 7 Uhr mit einstündiger Mittagspause. Unsere Kündigungsfrist beträgt 14 Tage. Bezüglich der Beschaffenheit der Werkstätte habe ich dem, was die frühere Expertin sagte, nichts hinzuzufügen. Ich kann etwas besser leben als die anderen Arbeiterinnen, weil ich von meiner Schwester derart unter­stützt werde, daß ich für meine Kleidung nichts auszugeben brauche. Zum Frühstück trinke ich Kaffee, zu Mittag esse ich Fleisch, Gemüse und Bier, zur Jause nehme ich nichts und am Abend entweder ein kaltes Nachtmahl oder etwas vom Gasthause. Ich gehöre dem Fachvereine und der Bezirks- Krankencasse an. Am Sonntag bleibt mir sehr wenig Zeit, um mich etwa zu unterhalten, weil ich da für mich sehr viel zu thun habe. Für dritte Personen habe ich nicht zu sorgen.

Vorsitzender: Finden Sie, nachdem Sie schon ziemlich lange beim Maschinnähen sind, daß dies gesundheitsschädliche Folgen nach sich zieht? Exp. Nr. 117 : Das spürt Jede; während der Arbeit weniger, aber nachher. Manchmal kann ich Abends nicht einmal nach Hanse gehen und muß fahren. Auch auf der Brust spürt man es; Eine mehr, die Andere weniger.

Dr. Schmid: Wo wohnen Sie, und was zahlen Sie für die Wohnung? Exp. Nr. 117: Ich habe ein Cabinet im III. Bezirke und zahle fl. 5.

Vorsitzender: Wie weit haben Sie zu gehen? Exp. Nr. 117 : Drei Viertelstunden.

Dr. Ofner: Was geben Sie für Mittag- und Abendessen aus? Exp. Nr. 117: Zu Mittag 30 kr., zum Nachtmahl 20 kr.

Dr. Ofner: Wie alt ist das Lehrmädchen, das in dem Betriebe ist? Exp. Nr. 117: 16 Jahre, und ist das zweite Jahr bei uns.