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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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W i tte l s h ö s er: Und wie ersetzen Sie das Deckblatt, wenn Sie 30 (harren von der Uebernehmerin zurückbekommen? Exp. Nr. 124: Da müssen nur es uns von den anderen Arbeiterinnen erbetteln.

Wittelshöfer: Geben die das umsonst? Exp. Nr. 124: Eine Arbeiterin schränkt sich oft selbst ein und sagt:Da hast Tu ein paar Platt, ich werde mich schon fretten."

W i t t e l s h ö s e r: Bekommen denn einzelne Arbeiterinnen mehr als sie brauchen? Exp. Nr. 124: Es gibt Sorten, die ein besseres Gewicht haben und wo die Arbeiterinnen etwas mehr bekommen, so daß sie uns unterstützen können: der Manila aber ist eben sehr schwer.

Wi ttel sh öf er: Kommt dieser Vorgang oft vor? Exp. Nr. 124: Ja, wir müssen immer fechten.

Dr. Ofner: Sie sagten, daß Sie aus 7 bis 10 Blättern, aus denen sie sactisch je .4 bis 4 Eigarren herstellen können, 100 Eigarren machen sollen. Sie können aber doch nur etwa 30 Stück herstellen. Diese Differenz scheint mir doch etwas zu groß. Exp. Nr. 124: Es ist aber doch so; wir machen täglich 50, 60, ja oft über 100 Stück von Sumatra.

Dr. Verkauf: Sie sind im Gedinglohn, müssen aber täglich eine gewisse Minimalleistnng verrichten? Exp. Nr. 124: Nicht Pro Tag, sondern pro Woche. Wir haben sogar drei Minimalleistungen, weil wir je nach der Jahreszeit drei verschiedene Arbeitszeiten haben, nämlich 6'0, 0 und 0 '2 Stunden. Das gilt sowohl für den Alsergrund als für den Nennweg. Wir hören aber immer, daß es den Rennwegerinnen viel besser geht als uns.

Dr. Verkauf: Wie steht es denn mit den Revisionen? Expertin Nr. 124: Beim Hinausgehen wird jede Arbeiterin von der Uebernehmerin oberflächlich visitirt. Dann steht aber noch ein Beamter dort, der sucht sich jede Zehnte oder Fünfte, wie es ihm beliebt, heraus und schickt sie in ein Kammerl. Dort muß man sich ausziehen und wird von den Uebernehmerinnen untersucht. Es darf Keine darüber beleidigt sein, denn es kommt ja Jede einmal daran. Es sind täglich 10 bis 12 im Kammerl.

Dr. Schiff: Haben die Vorgesetzten ein Interesse daran, Ausstellungen zu machen? Exp. Nr. 124: Nein, das hängt nur von ihrer Laune ab. Exp. Nr. 125: Es ist vom Jnspector den Uebernehmerinnen aufgetragen, in jeder Beziehung streng vorzugehen; deshalb hilft auch die Uebernehmerin nicht den Arbeiterinnen, sondern dem Herrn; wenn sie den Arbeiterinnen helfen würde, so würde sie zum Spinnen kommen. Exp. Nr. 123: Der Jnspector weiß aber nicht immer, wie wir sekirt werden. Wenn er nachschauen kommt, so sagt der Adjunct:Ihr dürft das schlechte Material nicht herlegeu, sondern nur das gute." Auch dürfen wir es nicht sagen, daß 300 bis 40<> Stück fehlen, sondern der Jnspector soll glauben, daß nur 100 Stück fehlen.

Vorsitzender: Sind auch bei der Verpackung der Cigarren Frauen beschäftigt? Exp. Nr. 123: Ja; die Frauen sortiren die Cigarren und suchen die sogenannten Ministereigarren aus, welche in die Kisteln obenauf kommen.

Dr. Schwiedland: Die Expertinnen stellen die Sache so dar, als ob die Uebernehmerinnen im Auftrage der Beamten handelten und sich nach oben hin beliebt zu machen suchten, wenn sie recht viele Cigarren als Ausschuß zurückweisen. Wird denn nicht dadurch das Aerar geschädigt? Es müssen ja doch die Ausschnßcigarren ein neues Deck- und Wickelblatt erhalten? -- Exp. Nr. 125 : Das Deck- und Wickelblatt ist allerdings ruinirt; das soll sich nun die Arbeiterin wieder einbringen; sie kann es aber nicht, und deshalb geht sie jede Woche zum Seeretär und läßt sich dort 100 Stück Nachtrag einschreiben. Da bekommt sie bei je 2800 Stück 100 Stück darüber, die nicht berechnet werden.

Vorsitzender: Die Sache dürste wohl die sein, daß eben die