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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Schiff: Werden Sie von den Vorgesetzten aufgefordert, lieber dort zu essen? Exp. Nr. 123: Nein.

Dr. Verkauf: Von Seite des Ministeriums wird behauptet, daß die Arbeiterinnen eine besondere Vorliebe für Näschereien haben. «Heiterkeit.» Wörtlich so zu lesen im Berichte für das Jahr l!31»4. Exp. Nr. l22 : Davon weiß ich nichts.

Dr. Verkauf: Es ist eben der Mühe werth, das zu erörtern. Ist Ihnen davon etwas bekannt? Exp. Nr. 12.3: Das sind nur die jungen Mädchen. Exp. Nr. 122: Die kaufen sich im Sommer obst oder einen Strudel. Exp. Nr. 123: Es kommt ja oft vor, daß sie überhaupt kein Geld haben, sich etwas zu kaufen, daß sie am Montag in die Arbeit kommen und keinen Kreuzer Geld haben. Exp. Nr. 122: Es gibt einige Personen, welche die Sachen hineinbringen und den Mädchen für die ganze Woche aufschreiben.

Dr. Verkauf: Sind das Arbeiterinnen, die das mitbringen, und was bringen sie? Exp. Nr. 122: Arbeiterinnen, sie handeln damit, Obst, Wurst und solche Sachen.

Dr. Verkauf: Wurst und Obst sind doch keine Näschereien. Wird das Hansiren denn gestattet, und darf das Jede thun? Exp. Nr. 122: Es sind in jeder Abtheilung gewöhnlich Eine oder Zwei, die thun das ver­stohlen : man darf das nicht sehen, sonst werden sie bestraft.

Dr. Verkauf: Aber die Vorliebe für Näschereien ist noch immer nicht aufgeklärt.

Vorsitzender: In jedem Saale sind zwei Ausschußfranen. Haben die in der Verwaltung der Küche etwas dreinzureden? Expertin Nr. 124: Zu ihnen geht man, wenn man eine Klage hat, und sie melden es dem Herrn.

Vorsitzender: Werden die gewählt? Exp. Nr. 124: Ja.

Vorsitzender: Ist das dasselbe, wie der weitere Ausschuß beim Krankeninstitute? Exp. Nr. 124: Ja.

Dr. Verkauf: Von wem wird der Ausschuß gewählt? Expertin Nr. l24: Sechs von den Beamten, das ist der engere Ausschuß, und sechs von uns.

Dr. Verkauf: Wie findet die Wahl statt, wie oft? Exp. Nr. 124: Wenn eine abstirbt, wird eine neue gewählt.

Dr. Verkauf: Die sind also für Lebensdauer? Exp. Nr. 124: Sie kann bleiben, so lange sie will.

Dr. Verkauf: Erinnern Sie sich, an einer Wahl schon theil- genommen zu haben ? Exp. Nr. 124: Schon oft.

Dr. Verkauf: Die Wahlen dürften also nicht für Lebensdauer sein. Exp. Nr. 124: Meist werden aber nur die Aeltesten aus dein Saale genommen.

Dr. Verkauf: Wie geht die Wahl vor sich? Berathen Sie da­rüber? Exp. Nr. 121: Von den Beamten werden gelbe Zettel aus­getheilt, und darauf schreibt jede Arbeiterin, wen sie wühlt.

Dr. Verkauf: Für jedes Zimmer gesondert? Exp. Nr. 124: Ja.

Dr. Verkauf: Wohin geben Sie die Zettel? Exp. Nr. 124 : Der Werksührer geht absammeln.

Dr. Verkauf: Uebergeben Sie sie offen? Exp. Nr. 124: Ja.

Dr. V e rkauf: Er weiß also, wen Sie wählen? Wird Ihnen vor­geschlagen, wen Sie wählen sollen? Exp. Nr. 122: Nein, nur nach unserem Willen.

Dr. Verkauf: Besprechen Sie sich über die Wahl? Expertin Nr. 124: Ja, bevor wir die Zettel bekommen.

Dr. Verkauf: Die Gewühlten sind also dazu da, um Ihre Inter­essen zu vertreten? Für wie lange sind sie gewählt? Exp. Nr. 124: