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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Exp. Nr. 126: Freilich darf er es nicht sehen. Diejenige, die fechten geht, wird bestraft.

Dr. Schüller: Wer hat aber das Interesse daran?

Vorsitzender: Der Sumatra ist ungeheuer theuer.

Dr. Schüller: Wenn aber der Staat ein Interesse daran hätte, dann kann der Jnspector nichts dagegen haben. Exp. Nr. 123: Heute war auch so ein Fall. Wie der hohe Besuch da war, wurde in der Aus- wage ein schönes Deckblatt vorgelegt. Der Beamte hat mir gesagt, ich darf die Cigarren nicht stecken lassen, wenn der Herr kommt, sie sind zu schwarz- farbig, ich soll schöne Farben aussuchen. Ich habe geantwortet, daß ich keine anderen habe; da habe ich 100 gefaßt, und die waren schöner.

Vorsitzender: Das kann aber doch nicht vorkommen, daß man aus einem anderen Tabak das Deckblatt nimmt, das wird ja sofort erkannt.

Exp. Nr. 122: Sumatra wird bei uns auf jede Cigarre gearbeitet. Nur sind die minderen Cigarren nußfarbig und die anderen schöner.

Dr. Schüller: Es sind so auffallend viele Arbeiterinnen verheiratet; wissen Sie, warum gerade die Tadakarbeiterinnen mehr heiraten als andere?

Exp. Nr. 123: Es kommt vor, daß der Mann sagt, mein Weib ver­dient fl. 13 und 14, aber sie verdient das nur mit dem Handel.

Dr. Schüller: Vielleicht kommt das davon, daß Sie stabil an­gestellt sind? Exp. Nr. 123: Auch. Man sagt übrigens, man braucht nicht auszusetzen, und doch sind die Leute oft am Tage nur zwei Stunden beschäftigt, weil sie keine Blätter bekommen. Und wenn man zum Herrn Beamten geht und fragt, was man anfangen soll, so sagt er, ich kann nicht helfen, ich kann sie nicht heransbeuteln.

Exp. Nr. 129: Ich arbeite auch nur bei Tageslicht. Im Sommer, wenn die große Hitze ist, 27 Grade, müssen wir früher nach Hanse gehen, weil wir schlechte Ventilation haben.

Frau Schlesinger: Sie verdienen jetzt als Spinnerin viel weniger. Warum sind Sie Spinnerin geworden? Exp. Nr. 129: Ich habe mich darum beworben, weil man mehr verdient als die Wicklerinnen, sobald man besser in die Arbeit hineinkommt.

Frau Schlesinger: Jetzt aber verdienen Sie weniger? Exp. Nr. 129: In den drei Wochen, wo wir länger arbeiten, komme ich auf fl. 4'50 bis 5.

Frau Schlesinger: Wenn Sie aber dieselbe Zeit als Wicklern: arbeiten würden? Exp. Nr. 129: Dann hätte ich fl. 6 . (Rufe: Jetzt ist sie Anfängerin! Später ist sie mehr eingearbeitet!)

Vorsitzender: Wird die Arbeitszeit im Sommer genau ein­gehalten? Exp. Nr. 129: Bon ^7 bis 12 Uhr und von 1 bis H46 Uhr. Um 146 Uhr wird zusammengeräumt, und um O 26 Uhr kommt man hinaus. Die im Gedinglohne gehen immer eine Viertelstunde früher hinein, als die im Taglohne. Jetzt arbeiten wir von ^7 bis ^ «5 Uhr. Im Winter von ^8 bis 4 Uhr. Mittags ist immer eine Stunde Pause.

Dr. Ofner: Ist am Rennweg auch von: 1. November bis 1. März eine andere Arbeitszeit? Exp. Nr. 129: So wie in der Roßau, nur daß wir zu Mittag die ganze Stunde haben.

Dr. Ofner: Sind Pausen zum Frühstück und zur Jause? Exp. Nr. 129: Nein.

Dr. Ofner: Sie arbeiten also im Sommer Vormittags 0 V 4 Stunden. Die Gewerbeordnung schreibt vor, daß über fünf Stunden Arbeitsdauer eine Pause gemacht werden soll. Kommt das nicht vor? Exp. Nr. 129: Nein. Wer essen gehen will, kann gehen, man verliert aber die Zeit. (Ueber weiteres Befragen seitens des Vorsitzenden.) Das Arbeitslocal ist ein großer Saal mit zwölf Tafeln. Bei einer Tafel sitzen 16 Personen nahe bei einander, so daß sie einander stoßen. Der Saal ist hoch und hat zwölf Fenster

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