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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Schwiedland: Es sollen aber unter den Arbeiterinnen gegen­seitig Geldschulden sein? Exp. Nr. 129: Das war früher, das ist jetzt abgeschafft worden.

Dr. Schwiedland: Von: Jnspectorat? Exp. Nr. 129: Ja, es ist ein Brief an den Herrn Director gekommen, wenn nicht bald Ordnung gemacht wird, so werden sich die Leute draußen um die Sachen annehmen.

Dr. Schwiedland: Also eine anonyme Anzeige. Seit wann ist das abgestellt? Exp. Nr. 129: Seit drei Jahren.

Dr. Schwiedland: Und vorher? Exp. Nr. 129: Vorher haben die Leute Geld geliehen und für den Gulden drei Kreuzer Zinsen genommen.

Dr. Riedl: Aus einem Privatgespräche mit dem Experten habe ich entnommen, daß er etwas über diese Sache weiß. Exp. R: Es sind Werksührer, die sich von den Leuten Geld ausborgen und nicht zurückzahlen wollen. Auf der einen Seite decken sie zu, und auf der anderen machen sie wieder auf. Die Leute dürfen sich nicht rühren. Es sind Einige da, die ein paar Gulden erspart haben, fl. 2, 8 oder 5. Das borgt er sich aus, und sie müssen jedensalls lange warten, bis er zahlt.

Dr. Riedl: Der zahlt wahrscheinlich auch keine Zinsen? Exp. U:

Er verspricht 2 kr. pro Woche und Gulden. In der Vorrichtung ist ein

Witwer mit 32 Jahren. Der ist allein, hat für Niemanden zu sorgen und kann nicht zahlen.

Dr. Riedl: Borgt der von Mehreren? Exp. U: Ja. Er steckt

noch immer in den Schulden. Auch zu mir ist er gekommen und hat Geld

haben wollen, ich habe ihm aber keines gegeben.

Dr. Schüller: Was nehmen die Arbeiterinnen auf Abzahlung? Exp. It: Kleidungsstücke, Schuhe, auch einen ganzen Anzug.

Dr. Schü ller: Unter was für Bedingungen? Exp. U: Die Eine zahlt fl. 1, die Andere 50 kr. pro Woche.

Dr. Schüller: Und wie theuer sind die Sachen im Verhältnisse zum gewöhnlichen Preise? Exp. R: Das doppelte Geld. Der Geschäfts­mann will einen Verdienst haben, und die, die gutsteht, will auch einen Rebbach haben.

Dr. Osner: Was heißt dasGutstehen"? Exp. Nr. 129: Sie nimmt es auf ihren Namen und gibt es der Anderen. Wenn aber die Andere nicht zahlt, so muß sie zahlen.

Wittelshvser: Sind Sie dem Unterstützungsfonds selbst bei­getreten, oder hat man Ihnen das abgezogen, ohne Sie darum zu fragen? Exp. Nr. 129: Es hat nie Jemand gefragt, man hat es von selbst ab­gezogen, es muß Jeder zahlen.

Mittels höfer: In der Roßau ist auch nicht gefragt worden? Mehrere Expertinnen: Nein.

Vorsitzender: Könnte vielleicht Jemand über das feinere Sor- tiren Auskunft geben und über das Packen, ferner über die Cigaretten? Exp. Nr. 126: Bei den Cigaretten ist es so wie bei den Cigarren. Exp. Nr. 122: Besser haben sie es doch.

Vorsitzender: Da muß der Tabak geschnitten werden? Expertin Nr. 126: Den bekommen sie geschnitten.

Exp. U: Das machen zwei Männer, der eine packt es. Die Packung ist sehr hart. Der Schmtt kommt vom Messer herunter wie Käse. Den muß er aufklopfen und aufbeuteln, daß er locker ist. Die zwei Leute müssen den meisten Staub verschlucken.

Vorsitzender: Wird das durch einen Motor gemacht? Exp. R: Es ist ein schiefes Brett. Das Messer schneidet ab, und auf dem Brette rutscht es herunter. Der Mann hat eine Drahtbürste, damit klopft er darauf, aber der Tabak bleibt in der Bürste stecken. Dann bleibt der