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Vorsitzender: Bitte uns zu sagen, wie Sie sich nähren. Expertin Nr. 130: Ich trinke zum Frühstück Kaffee, zum Gabelfrühstück nehme ich ein Achtel Wein und eine Semmel. Weil die Maschinenarbeit anstrengend ist, nehmen sich die Meisten zum Gabelfrühstück ein Achtel Wein. Zu Mittag gehen die Arbeiterinnen entweder nach Hause oder in eine Privatkost, welche in der­selben Gasse befindlich ist, wo man eine gute Hausmannskost für 20 bis 20 kr. bekommt. Für 22 kr. bekommen wir Suppe, Fleisch und Gemüse oder Suppe und Mehlspeise. Bier oder Wein trinken wir zu Mittag niemals. Zur Jause nimmt man sich etwas mit, entweder Kaffee oder zwei zusammen eine Flasche Bier. Abends esse ich Fleisch oder Wurst. Das Essen kostet mich täglich 40 bis 50 kr. Auch die Arbeiterinnen, welche nicht so viel verdienen, müssen den gleichen Betrag ausgeben, damit sie bei der anstrengenden Arbeit bei Kräften bleiben. Diejenigen, welche nach Hanse gehen, haben auch keine schlechtere Kost, sie brauchen aber natürlich nicht so viel auszugeben.

Vorsitzender: Wie ist Ihr Arbeitslocal beschaffen? Expertin Nr. l30: Unser Arbeitslocal, welches sehr geräumig ist, hat zehn Fenster aus die Gasse, und es arbeiten darin jetzt 30 bis 37 Personen. Die ganze Fabrik ist im zweiten Stock gelegen und hat 38 Fenster Gassenfront. Durch das Arbeiten mit dem Leder, dem Futter und der Appretur wird viel Staub entwickelt. Es ist aber eine Ventilation vorhanden, und es wird sehr viel gelüftet. Täglich zu Mittag werden alle Fenster aufgemacht, und bei jedem zweiten Fenster ist eine Ventilation. Viele glauben, daß ihnen der Zug schädlich ist, und machen sich deshalb die Ventilation zu. Es wird jeden Abend gekehrt; bei den Maschinen müssen wir selbst wegkehren, und das Uebrige besorgt der Hausdiener. Wir kehren ein paar Minuten vor Feier­abend, denn um 0 Uhr wird pünktlich geschlossen. Im Frühjahr und im Herbst wird das Vocal ausgegeben und die Fenster geputzt. Dies geschieht von den Fensterputzern. Die Wände werden nicht geweißt. Wir Frauen haben unseren Abort imzweiten Stock und die Männer den ihrigen ebenerdig. Der Abort wird jeden Samstag vom Hausbesorger gereinigt. Wir haben im Arbeits­zimmer eine Wasserleitung und eine große Wanne, wo man sich die Hände waschen kann. Seife und Handtücher muß man sich mitbringen; nur der Geschäftsführer hat ein Handtuch. Unsere Arbeit ist aber nicht derart, daß man davon besonders schmutzig würde. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen in unserem Betriebe ist verheiratet. Ich wohne in Rudolfsheim mit meinen Eltern zusammen. Ich zahle fl. 26'50 vierteljährig, weil die Mutter fl. 53 zahlt und ich die Hälfte des Haushaltes bestreite. Wir haben zwei Zimmer, Küche und ein kleines Vorzimmer. In der Wohnung wohnen: der Vater, die Mutter, mein Mann, ich und mein zehnjähriger Sohn. Zu Mittag gehe ich nicht nach Hause essen, weil mir das zu beschwerlich wäre. Mein Mann ist bei der Cravattenbranche und verdient fl. 10 wöchentlich. Wir sind alle in der allgemeinen Krankencasse. Ein Drittel zahlt der Chef, und zwei Drittel zahlen wir. Der Chef zahlt meist 20 kr. und die Arbeiterinnen 40 kr. monatlich. Ich zahle nur 27 kr. und der Chef l3 kr., weil ich außerdem noch im Georgs-Verein bin, wo ich 90 kr. monatlich zahle. Aus der Arbeiter-Kranken- casse erhalte ich im Krankheitsfälle fl. 1 wöchentlich, vom Georgs-Verein fl. 8. Ich bin nicht in der Unfallversicherung. Ich bin auch nicht im Fachverein, weil ich eben schon so lange im Hause bin. Ich muß meine Eltern nicht unterstützen, weil meine Mutter auch ein Geschäft hat. Ich gebe eben nur das her, was zur Wirthschaft nothwendig ist. Unterhaltungen mache ich wenig mit, höchstens im Sommer einmal einen Ausflug. Ich lese manchmal Zeitungen, zum Beispiel dasExtrablatt".

Dr. Schüller: Gehören Ihre Colleginnen theilweise der Organisation an? ExP. Nr. 130: Nein.

Dr. Schwiedland: Wird bei Ihnen dieArbeiter-Zeitung"