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gelüftet und gereinigt. In der Früh stehen die Mädchen um halb 7 Uhr von selbst auf. Die Arbeit beginnt um 7 Uhr, und während dieser halben Stunde wird gelüftet und ausgeräumt. Während der Arbeit muß man die Fenster schließen, weil sonst Ruß hereinfliegen würde. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich bin verheiratet, und mein Mann ist Mithelfer bei unserer Arbeit. Er war gelernter Schuhmacher, und weil er kränklich ist, so arbeitet er halt mit mir, besorgt Gänge, sieht die Waare durch, außerdem steppt er Daumen auf der Steppmaschine. Meine Arbeiterinnen sind alle ledig und stehen im Alter von 17 bis 24 Jahren. Ich habe deshalb keine älteren Arbeiterinnen, weil sich die meisten verheiraten und dann selbstständig zu Hause arbeiten. Aber diese Arbeit heißt nicht viel, denn wenn sie Kinder haben, machen sie blos 6 bis 8 Paar täglich. Ich zahle für meine Wohnung fl. 100 vierteljährig; ein Cabinet habe ich davon um fl. 8 monatlich ver- miethet, so dap mich die Wohnung vierteljährig sl. 76 kostet. Ich bewohne davon ein Zimmer; außerdem habe ich das Arbeitszimmer mit dem Alkoven, eine große Küche und ein Vorzimmer. Ich habe drei Kinder, von denen das älteste erst elf Jahre zählt. Die Arbeiterinnen sind bei der allgemeinen Krankencasse. Ich bin in keinem Verein, die Arbeiterinnen sind in einem Antisemiten-Verein, aber ich kümmere mich nicht darum.

Dr. Schwiedland: Wie sind Sie eigentlich zu Ihrem Geschäfte gekommen? Exp. Nr. 185: Durch Zufall. Als ich nach Wien kam, bin ich in Dienst getreten. Die Frau, welche die Handschuhnäherei betrieb, sagte mir, wenn ich zu dieser Arbeit Eifer habe, so kann ich dabei bleiben und brauche keine häuslichen Arbeiten zu verrichten. Der Herr, für den diese Frau gearbeitet hat, hat mir dann ein Zeugniß ausgestellt, weil meine Frau. gestorben ist.

Dr. Schwiedland: Bekommen die Arbeiterinnen bei Ihnen Unter­stützungen von Verehrern? Exp. Nr. 185: Es hat jede einen Liebhaber, aber sie bekommen nichts von ihnen.

Baronin Vogelfang: Hatten Sie gleich von Anfang die Mädchen bei sich in Kost und Quartier? Exp. Nr. 135: Ja, damals hatte ich aber blos zwei bis drei Arbeiterinnen.

Baronin Vogelfang: Wer sind die Mädchen, die nicht bei Ihnen schlafen? Exp. Nr. 135: Die haben Geliebte und wohnen mit. ihnen zusammen.

Baronin Vogelfang: Ist das überhaupt der Brauch, daß die Unternehmer die Mädchen in Kost haben? Exp. Nr. 135: Ja, es ist praktischer, wenn man die Mädchen in die Wohnung nimmt, weil man ihnen nicht so viel Geld geben kann, daß sie sich derartige Verpflegung verschaffen könnten, wie sie es im Hause haben.

Frl. Fickert: Werden die Mädchen anfgedungen? Exp. Nr. 135: Nein; ich speciell darf überhaupt keine Lehrmädchen haben.

Dr. Schwiedland: Warum ? Was steht denn auf Ihrem Gewerbe­schein? Exp. Nr. 135: Handschuhnäherin.

Dr. Schwiedland: Wozu haben Sie denn das Zeugniß gebraucht, welches Sie von dem früher erwähnten Herrn bekommen haben? Ex­pertin Nr. 135: Damit ich das Gewerbe eröffnen kann; aber das Recht, Lehrmädchen zu halten, habe ich nicht.

Dr. Schwiedland: Das dürfte jedenfalls ein Irrthum sein.

Vorsitzender: Wird bei Ihnen an Sonn- und Feiertagen gearbeitet? Exp. Nr. 135: An Sonntagen niemals, an Feiertagen bis Mittag.

Expertin Nr. 136 (über Befragen seitens des Vorsitzenden): Ich bin Schleiserin in der Knopfbranche und seit vier Jahren in der jetzigen Fabrik beschäftigt. Früher war ich in einer anderen Branche. Wir sind unser 30 Schleiferinnen. Wir haben eine Saison im Herbst, die bis zum Februar dauert; wenn die Arbeit dann schwächer wird, gehen Viele von selbst weg.