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15 Jahren, es hat früher auf den Namen meiner Frau gelautet, und nach ihrem Tode habe ich es auf meinen Namen übernommen. Ich beschäftige durchschnittlich 20 Personen, mitunter mehr oder weniger, weil das Geschäft eine Saison hat. Unter diesen 20 Personen befinden sich nur ein Mann und ein Lehrjunge. Ich selbst entwerfe die Zeichnungen und besorge das Vor­richten, denn die Stickerinnen müssen die Arbeit fertig hergerichtet bekommen, besonders bei der Goldstickerei. Der Mann, den ich beschäftige, ist ein Bor- richter und macht dieselbe Arbeit wie ich. Meine Hauptspecialität sind Fahnenbänder, und deshalb ist für mich jetzt die stärkste Saison, und zwar von Frühjahr bis Frohnleichnam, wo gewöhnlich die Fahnenweihen vorüber sind. Eine ganz stille Zeit gibt's bei mir nicht, da ich immer für Kirchen arbeite und, wenn ich keine Bestellungen habe, gewisse Kirchenarbeiten im Vorrath herstelle. In der Saison beschäftige ich 20 bis 25, außerhalb der­selben mindestens 15 Arbeiterinnen. In dieser Ziffer sind die Heimarbeiterinnen inbegriffen. Von den Arbeiterinnen im Hause, deren ich jetzt beispielsweise 17 bis 18 habe, wird selten eine entlassen, da ich die größten Opfer bringe, um die Leute zusammenzuhalten, damit sie mir zur Verfügung stehen, wenn ich sie brauche: denn bei unserer Arbeit sind schwer tüchtige Arbeiterinnen zu bekommen. Die Arbeitszeit ist bei mir von 8 bis 12 und von 1 bis 7 Uhr Abends. Die Arbeiterinnen haben nur zu sticken und sitzen während der ganzen Zeit. Nur wenn etwa ein großer Rahmen da ist, haben die Mädchen während der Zeit, wo eingerollt wird, also beiläufig während einer halben Stunde Bewegung und brauchen nicht zu sitzen. Die Arbeit hat meines Wissens keinen schlechten Einfluß auf die Gesundheit. Augenkrankheiten werden dadurch nicht verursacht. Am tauglichsten sind die kurzsichtigen Frauen, weil die fernsichtige Augengläser tragen müssen. Ich habe aber sehr alte Sticke­rinnen gehabt, einmal sogar eine mit 80 Jahren, die ohne Glas gearbeitet hat. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen ist jnng. Es sind wenigstens drei Viertel unter 30 Jahren. Ich erzeuge Kirchenparamente, Fahnenbänder und auch Modesachen, und zwar nur auf Bestellung. Wir haben nur eine Hand­maschine, nämlich die Tambourmaschine. Von meinen 20 Arbeiterinnen sind die Väter theils Arbeiter, theils Conducteure, Briefträger, also Leute, die darauf angewiesen sind, daß ihre Kinder so bald als möglich etwas ver­dienen. Die Stickerinnen aus besseren Kreisen sind leider in den vom Staat subventionirten Schulen und machen den wirklichen Arbeiterinnen die größte Concurrenz. Es wird jährlich eine Menge von sogenannten ausgekernten Stickerinnen aus den Schulen abgestoßen; das sind aber keine Arbeiterinnen für uns, denn wenn ein solches Fräulein in der Lage ist, sechs Jahre zu lernen und dafür noch zu zahlen, so wird sie nie eine Arbeiterin, die arbeitet, um davon zu leben. Ich habe einmal in die Zeitung gegeben, daß ich eine Seidenstickerin brauche; da kam nun eine elegante Dame mit ihrer Tochter, welche in der Kunstgewerbeschule sticken gelernt hatte, und sagte mir:Meine Tochter würde eventuell zu Hause arbeiten, und zwar von 10 bis 4 Uhr; da müßte sie aber wenigstens st. 2 täglich bekommen/' Es ist wohl klar, daß das für uns keine Arbeiterinnen sind. Diese Fräuleins benützen ihre Bekanntschaften in besseren Kreisen und nehmen uns, respective unseren Arbeiterinnen das Brot weg. Unsere Lehrmädchen haben dreijährige Lehrzeit und werden von der Genossenschaft aufgedungen. Sie werden von einer alten Stickerin, welche im Wochenlohn steht, unterwiesen. Die Lehrmädchen bekommen schon während der Lehrzeit fl. 1 bis 2, und wenn sie fertig sind, werden sie bei mir nicht entlassen, sondern bleiben mit einem Anfangslohn von fl. 5 bis 6. Die Lehrmädchen sind bei mir nicht in Kost und Wohnung und haben im Haus nichts zu thun als Abends nach der Arbeit das Local zusammenzukehren. Die Lehrmädchen werden sofort zum Sticken gesetzt; sie haben allerdings hie und da Gänge zu machen, aber es wird darauf gesehen, daß sie so viel als möglich bei der Stickerei bleiben. Wir haben keine Arbeits-