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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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dadurch, daß sich die Mädchen selbst anbieten. Wenn in der Lampenfabrik in meiner Nähe oder im Arsenal weniger zu thun ist, so ist der Zufluß von Arbeitern bedeutend, wenn dort Saison ist, geringer. Wenn ich Arbeiter dringend brauche, so sage ich selbst meinen Arbeiterinnen, ob sie nicht Freun­dinnen oder Bekannte haben, die sie mir empfehlen können, oder ich wende mich an den Verein für Arbeitsvermittlung. Mangel an Arbeiterinnen besteht nicht.

W i tt el sh ö fer: Wer nimmt die Arbeiterinnen aus? Exp. Better: Früher habe ich selbst neben dem Werkführer die Mädchen ausgenommen; ich habe jetzt einen jungen Beamten zur Beaufsichtigung, welcher die Ausnahme besorgt. Dieselbe findet am Montag und Dienstag statt. Die Mädchen kommen in der Früh um 7 Uhr in die Einfahrt der Fabrik, und wenn man Arbeiterinnen braucht, so sieht man in ihren Büchern nach und sucht sich die Besseren heraus. Um halb 8 Uhr wissen wir bereits, ob der Arbeiterstand complet ist oder nicht. Dann gehen die Mädchen in's Bureau und werden aus­genommen. Da außer meiner Fabrik keine andere in dieser Branche in Wien besteht, so müssen die Mädchen bei uns frisch unterrichtet werden. Es werden die vacanten Maschinen mit neuen Arbeiterinnen besetzt und diese von den älteren Arbeiterinnen unterwiesen.

Baronin Vogelfang: Wie viel Arbeiterinnen warten in der Rege! unten beim Thore? Exp. Vetter: Das ist verschieden. Wenn in der Lampenfabrik und im Arsenal viel zu thun ist, blos 4 bis 5; zu anderen Zeiten wieder 40 bis 50.

Pros. Grub er: Sie sagten, daß Sie keine geeigneten Ventilatoren finden. Ich glaube, wenn Sie die nöthige Dampfkraft zur Verfügung haben, würde dies doch keine Schwierigkeit bieten? Exp. Vetter: Im All­gemeinen ist ja die Ventilation durch Lüftung genügend, nur beim Schmelz- kessel nützt es nichts, weil sich die Leute über den Kessel neigen, in welchem sich das flüssige Blei befindet, und aus diese Weise den Dampf einathmen.

Pros. Grub er: Wenn ein Motor vorhanden ist, der die nöthige Luft zubläst, so könnte ich Ihnen einen sehr guten Respirator empfehlen, welcher beim Bandagisten Malberg im Trattnerhos zu bekommen ist. Dort werden Masken fabricirt, die man vor's Gesicht nimmt. Exp. Vetter: Ich bin sehr dankbar für diese Empfehlung, befürchte aber, daß, wenn die Sache umständlich ist, die Arbeiter den Apparat nicht werden benützen wollen. Das ist ja eben die Schwierigkeit. Ich erwische die Prägerinnen hundert­mal dabei, daß sie die Schutzvorrichtungen auslösen, obwohl ich hiefür die scharfe Strafe von 30 kr. für die Krankencasse bestimmte.

P ern erstorfer: Es ist behauptet worden, daß besonders vor Weihnachten Entlassungen in größerem Maßstabe vorkommen. Exp. Vetter: Das ist ganz und gar nicht richtig. Gerade vor Weihnachten ist das Geschäft der Weinhändler im Flor.

Pernerstorfer: Bekommen die gelernten Arbeiterinnen, welche doch im Accordlohn stehen, ein Entgelt für die Unterweisung der neuauf- genommenen Mädchen? Exp. Vetter: Gewiß, umsonst thun sie es nicht.

Dr. Ofner: Sie haben gesagt, daß bei Ihnen auch bronzirt wird; ist das nicht gesundheitsschädlich? Exp. Vetter: Da haben wir wieder dieselbe Geschichte. Ich habe schon einmal einen Respirator gekauft und ihn einer Arbeiterin probeweise zum Gebrauch übergeben. Da sagte sie:Das will ich nicht; ich binde mir lieber ein Tüchel um." Ueberdies ist ja das Bronziren nicht eine fortwährende Arbeit, sondern geschieht nur stundenweise.

Dr. Ofner: Sie sagten, daß Sie viel weniger Personen im Alter von 30 bis 40 Jahren haben; wohin kommen diese Frauen nach 30 Jahren? Exp. Vetter: Ich entlasse keine wegen vorgerückten Alters. Aber sie heiraten sehr oft, und wenn sie auch als^ verheiratete Frauen in der Fabrik bleiben, so sind sie doch zeitweilig verhindert, in der Fabrik zu arbeiten.