Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
555
Einzelbild herunterladen

555

Dr. Ofner: Dann haben wir sechs Einlegerinnen, oder arbeiten diese mit den Streckerinnen? Exp. Vetter: Eine Einlegerin arbeitet für drei Streckerinnen.

Dr. Ofner: Wird die von den Anderen bezahlt? Exp. Better: Nein. Eine gute Einlegerin gibt man den besten Streckerinnen. Die macht im Tag leicht 25.000. Sie wirft das blos so hin. Da bekommt sie für 1000 4 kr. Das ist auch fl. 4-50 bis 0. (Ueber Befragen.) Die Presserinnen verdienen zwischen sl. 5 und 8. Man kann sagen, die Hälfte davon hat fl. 7 bis 8, ein Viertel fl. 6 und der Rest fl. 5. Die 20 Putzerinnen haben dasselbe Verhältniß, ebenso bei der Farbenprägung. Die verdienen sich gewiß fl. 8 bis 9. Das Minimum ist fl. 4'50.

Dr. Ofner: Wie viele Strafgelder haben Sie im Jahre 1895 ge­habt? Exp. Vetter: Ich habe den Durchschnitt von den letzten vier Jahren genommen, fl. 100. Im Jahre 1895 war zufällig mehr, da waren fl. :^20, im Jahre 1894 weniger.

Dr. Ofner: Sie sagten, Abzüge werden gemacht, wenn zu wenig gearbeitet wird. Wie ist es mit dem Zuspätkommen? Exp. Vetter: Da ist Alles zusammengefaßt: Zuspätkommen, zu früh von der Arbeit auf­hören, die Fabrik ohne Erlaubniß verlassen, nachlässige Arbeit. Das ist Altes in der Arbeitsordnung. Das erste Mal wird eine Verwarnung er­theilt, dann kommt eine Strafe von 10 Hellern. Wenn Eine sich entschuldigt, entweder beim Werksührer oder bei dem Beamten, der die Aussicht hat, oder bei mir, wenn ich da bin, so wird sie überhaupt nicht bestraft. Wenn aber Eine consequent zu spät kommt oder Eine beim ersten Pfeifensignal schon vor dem Thor ist, aber sich herumdreht uud plaudert uud dann erst fünf Minuten nach dem zweiten Signal hereinkommt, so wird sie bestraft.

Dr. Ofner: Wenn Sie aber nicht beobachten, daß es absichtlich ist ? Exp. Vetter: Ich verlange vor Allem eine Entschuldigung. Wenn Eine zum Beispiel ihren Austritt nicht erklärt und anderen Tags einfach wegbleibt, wird sie auch gestraft. Wenn ich auch keine Kündigung habe, so muß sie doch am Abend vorher sagen: Ich trete aus der Fabrik. Sie kann ja eventuell wieder kommen, und wenn dann die Maschine besetzt ist, kann sie mich hernehmen und am Gewerbegericht verklagen, und ich bekomme gewiß Unrecht. Wenn Eine vorher sich entschuldigt, wenn sie sagt: Ich ziehe morgen aus oder dergl., so ist es ja gut, aber sagen muß sie etwas.

Baronin Vogelfang: Es wäre interessant, die Ursachen der Faulheit der Arbeiterinnen zu erkunden. Sind die Arbeiterinnen, die lange bei Ihnen sind, auch faul? Exp. Vetter: Selten. Unter den jüngeren Leuten kommt es mehr vor. Es mögen da gewisse Ursachen obwalten.

Baronin Vogelfang: Sind das Frauen oder Mädchen? Exp. Vetter: Mädchen. Vor Allem ist das Plaudern schuld.

Barvniu Vogelfang: Kommt es nicht vor, daß Eine ruhig ist und doch wenig arbeitet? Exp. Vetter: Das ist selten. Meist spielt die lebhafte Unterhaltung mit.

Baronin Vogelfang: Arbeiten bei Ihnen auch Frauen, die in der Hoffnung sind, und arbeiten die weniger? Exp. Vetter: In der letzten Zeit wohl.

Baronin Vogelfang: Wie lange? Exp. Vetter: Das ist individuell. Eine kräftige Person hat bis zum letzten Augenblick mit voller Kraft gearbeitet. Eine Andere greift die Arbeit mehr an, die bleibt 8 oder 14 Tag früher zu Hause.

Baronin Vogelfang: Wenn sie nachher wieder kommt, ist sie dann fähig, gleich wieder zu arbeiten? Exp. Vetter: Sie bleiben meistens länger al? vier Wochen zu Hause. Dann arbeiten sie wie vorher.

Baronin Vogelfang: Sind die Kinder ausgekommen? Experte Vetter: Ja.