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Vorsitzender: Sie sagen, das Essen ist schlecht. Warum essen Sie denn dort? — Exp. Nr. 144: Es ist zu weit, anders wohin zu gehen. Einige Männer gehen in die Restauration zur Südbahn, aber für uns ist es dort zu theuer. Manchmal nehme ich mir auch vom Hause etwas mit.
Vorsitzender: Beschreiben Sie uns Ihr Arbeitslocal. — Expertin Nr. 144: Das Arbeitslocal ist nicht schlecht. Es ist ein großes Zimmer zur ebenen Erde, mit fünf großen Fenstern. Wir arbeiten alle Vier an einem Tische, es sind aber im Zimmer noch andere Arbeiterinnen, welche Kapseln ausschlagen; im Ganzen zwölf. Das Zimmer wird jeden Tag gekehrt. Gerieben wird das ganze Jahr nicht. Die Reinigung besorgt eine vom Aerar bezahlte Person. Die Fenster putzen wir allein, und zwar immer am Samstag vor Ostern. Da hören wir um 10 Uhr Vormittags zu arbeiten auf und putzen bis 1 Uhr die Fenster. Die Wände werden abgestaubt und einmal im Jahre geweißt. Wir haben vier Aborte; die werden zweimal wöchentlich von einer vom Aerar honorirten Frau gereinigt. In dem Arbeitslocal essen wir nur Frühstück und Jause, zu Mittag müssen wir das Vocal verlassen. (Ueber Befragen.) Zur Jause esse ich Butterbrot und ein Seidl Bier. Ich komme um 7 Uhr nach Hause, koche da etwas und trage meinem in einer Spiritusfabrik beschäftigten Manne das Essen hin. Um 10 Uhr komme ich nach Hause und um 4 Uhr stehe ich schon wieder auf, koche Frühstück und für meinen Mann etwas zu essen.
Vorsitzender: Wo wohnen Sie? — Exp. Nr. 144: In Simme- ring; wir haben eine eigene Wohnung im ersten Stock, bestehend aus Zimmer und Küche, und zahlen monatlich sl. 10 und 30 kr. Reinigungsgeld. Ich habe nur eine Tochter, die ist verheiratet und in guten Verhältnissen. Ich habe sonst für Niemand zu sorgen. Ich lese die „Arbeiter- Zeitung", aber daß es Niemand sieht. Ich gehöre dem Simmeringer Bildungsverein an.
Dr. Schüller: Wenn in der Woche mehrere Feiertage sind, bekommen Sie da die ganze Woche bezahlt? — Exp. Nr. 144: Dreiviertel Tage werden bezahlt, ein Viertel wird abgezogen.
Dr. Schüller: Nach Ihrer Angabe über das Essen in der Cantine würden Sie 28 kr. ausgeben. Kommt Ihnen das nicht zu theuer? — Exp. Nr. 144: Ich esse gewöhnlich entweder nur eine Suppe und Zuspeise oder nur Mehlspeise. Das Ganze kostet nur 12 bis 14 kr.
Vorsitzender: Wie groß ist der Verdienst Ihres Mannes? — Exp. Nr. 144: fl. 36 monatlich.
Dr. Frey: Was bekommen die anderen Arbeiterinnen im Arsenal als Lohn? — Exp. Nr. 144: Die bei den Maschinen — beim Zug 1 , 2, 3 und 4 — Beschäftigten, im Ganzen sind es 130 Frauen, bekommen sl. 6'64, höhere Löhne kommen nicht vor.
Vorsitzender: Wie viel Patronen sortiren Sie täglich? — Exp. Nr. 144: Zusammen 66.000 bis 98.000 täglich. Das hängt davon ab, wie viel die Maschine macht; einmal mehr, ein anderes Mal weniger. Es kommen auf jede von uns Vier ungefähr 20.000 täglich.
Dr. Schiff: Wie oft kommt es vor, daß drei Wochen oder 14 Tage ausgesetzt wird? — Exp. Nr. 144: Ein- bis zweimal im Jahre. Heuer waren wir drei Wochen zu Hause. Das ist gewöhnlich vor Ostern der Fall.
Dr. Schiff: Haben Sie, als Sie in die Fabrik eingetreten sind, denselben Lohn gehabt wie jetzt? — Exp. Nr. 144: Nein, da habe ich fl. 4'68 gehabt. Wir hatten einen anderen Werkführer, und wenn Einer gut ist, so sagt er: „Die Leute kommen mit so wenig Lohn nicht aus", und so bekommen wir mehr.
Dr. Schiff: Wann sind Sie gesteigert worden? — Exp. Nr. 144: Vor fünf Jahren, da haben wir einen anderen Werkführer bekommen.