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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Schiff: Kommen Ueberstunden häufig vor? Exp. Nr. 144:

Einmal im Jahr. Heuer und voriges Jahr sind Ueberstunden nicht vor­gekommen.

Dr. Schiff: Was geschieht, wenn Sie zu spät kommen? Expertin dir. 144: Da müssen wir nach Hause gehen, außer wenn der Portier gut gelaunt ist, so läßt er uns nach drei, vier Minuten auch noch hinein, sonst verliert man einen halben Tag. Da wird der übliche Lohn abgezogen.

Dr. Schiff: Machen Sie sich die Hände bei der Arbeit schmutzig?

Exp. Nr. 144: Ja, mit Grünspan.

Dr. Schiff: Wie waschen Sie sich dieselben? Exp. Nr. 144:

Wir haben alle Vier ein Schaff und bekommen auch Seife und Fetzen, die wir uns selbst waschen.

Dr. Schiff: Kommen Vergiftungserscheinungen vor? Expertin Nr. 144: Nein, im vorigen Jahr war nur Eine an Bleikolik erkrankt.

Dr. Schiff: Was bekommen Sie an Krankengeld? Expertin Nr. 144: Wir sind in der allgemeinen Arbeiter-Krankencasse und bekommen fl. 4'20 wöchentlich.

Dr. Schiff: Sie sagten, Sie lesen die Zeitung verstohlenerweise.

Trauen nur Sie sich etwa nicht, oder sind schon Anstünde vorgekommen?

Exp. Nr. 144: Das nicht, aber ich traue mich nicht, auch die Anderen trauen sich nicht, obzwar der Werkführer, wenn er es sieht, nichts sagt.

Beim Arbeiter-Bildnngsverein sind auch nur Acht, und die trauen sich auch nichts davon zu sagen.

Dr. Schwab: Ihre Arbeit verlangt es, daß man sehr gut dazu sieht. Wann sangen denn Sie im Winter zu arbeiten an? 'Expertin Nr. 144: Auch um 7 Uhr. Wir haben Gasbeleuchtung.

Dr. Schüller: Was geschieht, wenn Sie die Anzahl der Patronen nicht fertigbringen? Exp. Nr. 144: Da müssen wir uns Halt am nächsten Tag mehr tummeln und das einbringen.

Dr. Frey: Haben Sie außer der verheirateten Tochter noch Kinder gehabt? Exp. Nr. 144: Nein.

Vorsitzender: Wir gelangen nun zur Vernehmung einer Expertin aus der G u m miwaaren - Branche. Expertin Nr. 145: Ich bin in einer Gummisabrik beschäftigt, und zwar bei den Schweißblättern. Meine Arbeit besteht im Tricotstreichen und Spannen. Es sind 17 Männer und neun Mädchen beschäftigt, und zwar vier Mädchen beim Streichen, zwei beim Spannen; die anderen machen die übrige Arbeit. Für das Streichen haben wir eine Handmaschine. Der Stoff wird mit der Hand gedreht. Es läuft A

eine nasse Schichte hinaus, wo der Benzin hinausdampft, und rückwärts wird das trockene Tricot ausgerollt. Die Streichmasse ist eine Mischung von Benzin und Gummi. Ein Mädchen dreht, zwei müssen das Tricot aufrollen, weil es sich einrollt, zwei sind vorn bei der Maschine und passen aus, daß die Masse gleichmäßig läuft. Wenn das nicht der Fall ist, so wird dieselbe mit einem Messer zurückgeschoben. Ich bin in dem jetzigen Betrieb über zwei Jahre. Früher war ich ebenfalls in einer Schweißblätterfabrik. Im Sommer ist Saison, im Winter stille Zeit. Wochenlang wird nicht ausgesetzt, außer wenn, wie es vorgekommen ist, der Kessel in Reparatur ist, sonst wird nur einen halben bis einen Tag ausgesetzt. Die Arbeiterinnen recrutiren sich aus Arbeiterkreisen. Lehrmädchen Haber wir nicht. Wenn eine neue Arbeiterin kommt, so wird ihr die Arbeit vorgezeigt. Sie erlernt es sehr rasch.

Vorsitzender: Wie ist die Arbeitsvermittlung in Ihrer Branche?

Exp. Nr. 145: Mein jetziger Chef hat das Geschäft erst angefangen und hat mich aus meinem früheren Posten weggenommen.

Vorsitzender: Wie lange ist Ihre Arbeitszeit? Exp. Nr. 145 :

Von 7 bis 12 und von 1 bis 6. Frühstücks- und Jausenpause haben wir keine, aber wir können ungestört essen. Ueberstunden, Sonn- und Feiertags-