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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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entstanden. Es sind aber nur die Thüren verbrannt, den Arbeitern ist nichts geschehen. In dem Betriebe, wo ich jetzt bin, ist Wasser und Sand in Vor­bereitung da. Beim Trocknen, Aufrollen u. s. w. sind auch entsprechende Vorsichtsmaßregeln getroffen. Die Arbeitslocalitüten an meinem früheren Arbeitsort waren, wie gesagt, sehr schlecht. Sie waren finster und niedrig. Das Zimmer, wo neun Personen arbeiteten, hatte nur zwei Fenster und eine Thür. Im Ganzen waren dort zehn bis zwölf Personen beschäftigt. Gereinigt wurde mehr als in dem jetzigen Betriebe, und zwar von uns selbst, die wir in Accord waren. Die versäumte Zeit ist uns theils gezahlt worden, theils nicht. Wir haben da einen englischen Abort gehabt.

Dr. Schiff: Was für Folgen hat der Benzingestank für die Arbeiter? Exp. Nr. 145: Wenn Eine von Benzin recht berauscht ist, fängt sie zu weinen an. Das ist mir auch schon passirt. Wenn man hinunterging zum Streichen, so konnte man das eine Stunde aushalten. Dann konnten wir 10 bis 15 Minuten in den Hof gehen- In dem jetzigen Betriebe haben wir das nicht nothwendig, weil wir Ventilation haben. Erbrechen kommt nicht vor.

Vorsitzender: Hat das auch auf die Augen irgend welchen Ein­fluß? Exp. Nr. 145: Nein, aber der Geruchssinn schwächt sich.

Dr. Ofner: Wie sind Sie in das frühere Geschäft gekommen? Exp. Nr. 145: Die Directrice hat im selben Hause gewohnt wie ich, und die hat mich hingebracht. Wie die Anderen hingekommen sind, weiß ich nicht. Er hat früher Rüschen gearbeitet und hat die Mädchen von dieser Arbeit zu den Schweißblättern genommen.

Dr. Ofner: Sie haben früher gesagt, das Essen wird Ihnen Vormittag in's Local zugebracht. Wer bringt das? Exp. Nr. 145: Ein Mädchen, die fragt Jeden, was man will, und geht dann, das Eisen holen.

Dr. Ofner: Wie verschaffen Sie sich Kleider und Wäsche? Kaufen Sie die auf Raten? Exp. Nr. 145: Nein. Ich gebe der Mutter Geld, die legt es zusammen, und wenn ich was brauche, so kaufe ich mir es dann um baares Geld. Arbeitskleider mache ich mir selbst.

Vorsitzender: Haben Sie in Ihrer Wohnung noch After­parteien? Exp. Nr. 1^15: Nein.

Dr. Schiff: Sie machen sich ja mit dem Benzin die Hände unrein, wie waschen Sie sich da? Exp. Nr. 145: Wir haben in jedem Local ein Schafs mit Wasser.

Dr. Schiff: Aber im Gestank essen Sie doch? Exp. Nr. 145: Das sind wir schon gewohnt.

Dr. Schiff: Behalten Sie die Kleider, in denen Sie in die Fabrik kommen, bei der Arbeit an? Exp. Nr. 145: Nein, wir bekommen vom Geschäfte Kittel. Für die Kleider haben wir einen eigenen Raum, und zwar nicht im Arbeitsraum, sondern ebenerdig. Das Umziehen nehmen wir im Arbeitsraume vor. Das Verhältniß zu den Arbeitern ist ein gutes. Wir sind nicht mit ihnen zusammen, denn wir sind oben und sie unten.

Frau L-chlesinger: Wie lange dauert es, bis die Anfängerinnen zu einem höheren Lohn kommen? Exp. Nr. 145: Drei bis vier Wochen, dann bekommen sie fl. 4'80.

Vorsitzender: Wir schreiten nun zur Vernehmung einer Expertin aus dem Kreise der Handelsaugestellten. Expertin Nr. 146: Ich war sechs Monate Handlungsangestellte bei einer Uniformirungsanstalt, bin aber seit August ohne Posten, bei meinen Eltern. Wir waren in jenem Geschäft drei Mädchen im Comptoir. Ich hatte die Correspondenz zu führen, Rech­nungen zn schreiben u. s. w. Für Correspondenz in anderen Sprachen war ein anderes Fräulein da. Die Arbeitszeit dauerte im Winter von 8 Uhr Früh bis halb 8 Uhr Abends, mit einer eineinhalbstündigen Mittagspause,