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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Waschen. Ihr Verdienst ist nicht gleich; durchschnittlich beläuft er sich auf fl. 6 bis 7 wöchentlich. Außerdem bezieht die Mutter eine Pension von st. 10 monatlich. Unsere Wohnung besteht aus Zimmer und Küche zu ebener Erde und kostet fl. 8. Ich habe noch eine ältere Schwester zu Hause, die besorgt die Wirthschaft. Ich bin in der allgemeinen Arbeiter-Krankencasse; für dieselbe wird uns 17 kr. wöchentlich abgezogen. Ich glaube, wir sind auch in der Unfallversicherung.

Vorsitzender: Sie und Ihre Mutter leben zusammen? Geben Sie der Mutter eine bestimmte Summe von Ihrem Verdienst? Expertin Nr. l45: Ich gebe der Mutter fl. 3, die anderen fl. 5 habe ich für meine sonstigen Bedürfnisse.

Vorsitzender: Welcher Art sind diese? Machen Sie Vergnügungen mit, gehen Sie in's Theater? Exp. Nr. l45: Selten. Ich bekomme manchmal Freikarten. Ausflüge mache ich sehr wenig. Einer Organisation gehöre ich bis jetzt nicht an. Ich lese dieArbeiter-Zeitung", welche ich von einem Arbeiter bekomme.

Dr. Schütter: Wie viel Lohn bekommen die Accordarbeiterinnen?

Exp. Nr. 145: Eine geschickte Arbeiterin kann sich fl. 8 verdienen.

Dr. Schüller: Sie arbeiten mit Benzin. Kommen da nicht Unglücks- sälle vor? Exp. Nr. 145: Das nicht, aber ein großer Gestank herrscht im Loeal, besonders wenn der Benzin schlecht ist.

Vorsitzender: Haben Sie Ventilationsvorrichtungen? Expertin Nr. 145: Wir haben zwar eine, aber die genügt nicht, und da müssen wir auf beiden Seiten die Fenster aufmachen, auch im Winter. Wenn uns da zu kalt ist, dürfen wir in ein anderes Zimmer gehen, um uns zu wärmen. Die Fenster bleiben zwei bis zweieinhalb Stunden offen.

Dr. Schiff: Wie viel haben Sie auf dem früheren Posten verdient?

Exp. Nr. 145: Da waren wir im Accord. Ich war da bei den Patent­gummiplatten. Das Loeal, wo gestrichen wurde, war sehr schlecht; es befand sich im Keller. Ich war nicht beim Streichen; wenn wir aber oben wenig zu thun hatten, oder wenn man Eine unten gebraucht hat, so sind wir hinunter zum Streichen. Ich war drei Jahre in diesem Geschäft.

Dr. Frey: Was macht eine Plattenarbeiterin? Exp. Nr. 145: Sie muß den Patentgummi zuschneiden nach einer Form und dann ver- kratzen, weil ein großer Theil und ein kleiner Theil zusammenkommen. Diese Arbeit wird nach dem Groß gezahlt. Für das Groß bekommt man fix und fertig 70 kr. Eine geschickte Arbeiterin kann täglich zwei Groß und noch mehr machen. Ich habe in der Saison fl. 10 bis 12 in der Woche ver­dient, sonst fl. 6. In diesem Geschäfte gah es auch Ueberstunden, eine Woche vor Ostern bis 10 oder 12 Uhr. Ob Bewilligung für die längere Arbeit eingeholt wurde, weiß ich nicht. An Benzingestank hatten wir da nicht zu leiden, weil wir für die Plattenarbeit ein Extrazimmer hatten.

Dr. Schiff: Wie viele von Ihren jetzigen Colleginnen haben st. 4'20? Erp. Nr. 145: Zwei, die sind jetzt neu hinzugekommen. Drei haben fl. 4-80, Eine hat fl. 6.

Herrdegen: Wie Sie in dem früheren Geschäft waren, ist da nicht einmal eine Explosion erfolgt? Exp. Nr. 145: Dort gab es einmal einen großen Brand. Ich war nicht mehr dort. Die zwei Fenster des Locales, welches im Keller liegt, waren sehr tief; es hat der Dampf des Benzins nicht hinaus können und es entwickelte sich durch das starke Drehen Elektri­cität, und so ist der Benzindampf explodirt. Eine Arbeiterin ist ganz ver­brannt, eine ist jetzt noch ein Krüppel, andere wurden nur leicht verletzt. Auch wie ich dort war, ist ein kleiner Unfall vorgekommen; da sind in einem kleinen Zimmer bei offenem Feuer Platten getrocknet worden, daneben im Gange sind die Benzinflaschen gestanden. Eine ist ausgeschüttet worden und die Dämpfe haben zum Feuer hingezogen, und da ist auch eine Explosion