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waren und oben das Glasdach, wo immer Schnee lag. Es war immer kalt.
Dr. Ofner: Haben Sie Waschvorrichtung gehabt? — Exp.Nr. 146: Ja, wir hatten ein Lavoir, Seife, und zum Abwischen hatten wir schmutzige Fetzen.
Vorsitzender: Wir werden nunmehr Herrn Karl Weizmann, Obmann des Damen-Stenographen-Centralvereines, der über die Verhältnisse der weiblichen Angestellten genau iuformirt ist, als Experten vernehmen. — Experte Herr Karl Weizmann: Es wird vor Allem von Interesse sein, zu wissen, wie der Bildungsgang derjenigen weiblichen Personen beschaffen ist, welche in Bureaux, Comptoirs und in solchen anderen Branchen beschäftigt sind, die nicht als kaufmännische angesehen werden können. Jene Fräuleins, mit welchen ich als ihr gewesener Lehrer und als Obmann des hiesigen Damen-Stenographen-Centralvereines in Verkehr stehe, sind zum größten Theile an einer der größten hiesigen Handelsschulen, an welcher ich selbst als Lehrer der Stenographie unterrichte, ausgebildet worden. Ich verfolge aber auch den weiteren Lebenslauf der Mädchen, da ich öfter in der Lage bin, ihnen Empfehlungen an Comptoirs, Banken, Versicherungsanstalten rc. zu geben. Die Mädchen treten, nachdem sie die Volks- und Bürgerschule absolvirt haben, in die zweiclassige Handelsschule ein, nach deren Absolvirunq sie in der Regel vom Director der Anstalt in ein Comptoir, eine Bank, ein Bureau rc. empfohlen werden. Die Nachfrage nach weiblichen Kräften in solchen Stellungen ist in den letzten Jahren sehr gestiegen; ebenso nimmt aber auck die Zahl der Mädchen zu, welche sich derartigen Beruss- zweigen zuwenden. Die Zahl der Schülerinnen an der Handelsschule, an welcher ich thätig bin, beträgt über 300 in einem Schuljahre. Sie werden in allen kaufmännischen Fächern und in der Stenographie als obligaten Gegenständen unterrichtet. Nicht obligate Lehrgegenstände sind französische und englische Sprache. Die Mädchen sind nun in der Regel sowohl in den kaufmännischen Fächern wie auch in der Stenographie und in den Sprachen ausgezeichnet vorgebildet. Die Anstellungsverhältnisse sind aber im Verhältniß zu dieser Vorbildung sehr ungünstige. Ich habe einen weiteren Einblick in die Vorbildung der Fräuleins, welche die kaufmännischen Fortbildungsschulen absolvirt haben, nicht—ein solches Fräulein wurde eben vorher vernommen — ich glaube aber, daß die Ausbildung der Fräuleins, welche eine Handelsschule absolvirt haben, eine bessere und vertiestere sein wird. Im Verhältniß also zu ihrer Beschäftigung und dem, was sie zu leisten im Stande sind, ist die Bezahlung eine außerordentlich schlechte. Der Grund hiefür scheint mir vornehmlich darin zu liegen, daß die Concurrenz eine überaus große ist. Die Qualifikation der Mädchen ist insbesondere im Vergleiche zu der Qualifikation der männlichen Jugend in der gleichen Branche eine ganz ausgezeichnete. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Der junge Mann, welcher begabt und fleißig ist, macht die Mittelschule durch, geht an die Hochschule und strebt eine höhere Stellung an. Das Mädchen aber, und wenn es noch so ausgezeichnet befähigt ist, weiß, daß, wenn es in einem Berufe thätig sein will, ihm nichts offen steht als eine untergeordnete Stellung in einem Comptoir, in einer Advocaturskanzlei oder m einem Bureau, und so haben wir hervorragend begabte Mädchen, welche mit sehr niedrigen Gehalten ausgezeichnet arbeiten, neben jungen Leuten männlichen Geschlechtes, die bedeutend schlechter qualificirt sind sowohl in Bezug auf ihre Befähigung als in Bezug auf ihre Kenntnisse. Dieser Vergleich drängt sich überall dort auf, wo man Gelegenheit hat. die Fräuleins nach ihrem Austritt aus der Handelsschule weiter zu beobachten. Ein krasser Fall, der die Sache sehr gut illustrirt, ist der folgende: Von Seite einer sehr großen hiesigen Versicherungs-Gesellschaft, mit deren leitenden Personen ich in diesen Dingen in Beziehungen stehe, ist vor einem halben Jahre an