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Vr9 Uhr Abends mit einer eineinhalbstündigen Unterbrechung zu Mittag gearbeitet. Die Arbeitszeit wird aber häufig bis 9 und OUO Uhr Abends verlängert, und in der sogenannten Saison, insbesondere um die Weihnachtszeit, wird durch eine Reihe von Tagen ich glaube, es sind mehrere Wochen auch bis 2, 3 und ' ,4 Uhr Früh gearbeitet. Die Mädchen müssen aber wieder um ^8 Uhr Früh auf ihrem Posten sein. Wenn diese Nacht­arbeit eintritt, so wird um 8 Uhr eine halb- oder dreiviertelstündige Pause gemacht. Daß dies für die Mädchen aus den sogenannten guten Häusern

das Decorum muß ja gewahrt werden außerordentlich peinlich ist, ist selbstverständlich. Andere Fränleius werden und das nimmt in der letzten Zeit sehr zu in Advocaturskanzleien als Stenographinnen beschäftigt. In einer hiesigen Advocaturskanzlei sind rasch nacheinander drei meiner gewesenen Schülerinnen als Stenographinnen engagirt worden. Ich muß aber mit Bedauern constatiren, daß auch da ich spreche natürlich nur von einer Kanzlei, nicht mit sehr großer Coulance vorgegangen wurde. Be­züglich der ersten Candidatin, die in diese Kanzlei aufgenommen wurde und die ich durch die Vermittlung eines mir bekannten Abgeordneten empfehlen konnte, erhielt ich die Zusage, daß sie nicht mit einem geringeren Honorare als mit fl. 40 angestellt werden würde. Am Tage ihrer Aufnahme hatte ich Gelegenheit, sie zu sprechen, und sie sagte mir ganz erfreut:Denken Sie sich, ich habe sl. 30 monatlich!" Nach dem Hergänge der Sache befragt, erzählte sie mir, der Doctor habe ihr gesagt:Ich werde Ihnen fl. 30 geben, ist Ihnen das recht?" Sie ging darauf ein, denn ein monatliches Honorar von sl. 30 ist bei einem Mädchen schon sehr viel. In diese selbe Kanzlei sind nach ihr noch zwei andere Fräuleins gekommen. Ich glaube, es ist jetzt dort überhaupt kein anderer männlicher Kanzleibeamter als der Sollicitator beschäftigt. Ein nicht unbedeutender Theil der Mädchen ist in Banken, bei Transpörtanstalten und verwandten Instituten thätig. So hat z. B. die Länderbank eine ziemlich große Anzahl von Fräuleins angestellt, und es muß dieser Bank das Zeugniß ausgestellt werden, daß sie in Bezug auf die Honorirnng ganz anständig vorgeht. Die Gehalte bewegen sich zwischen fl. 40 und 50. Auch die staatliche Unfallversicherung beschäftigt eine ziemlich große Zahl von weiblichen Angestellten. Der Gehalt beträgt sl. 30. (Dr. Verkauf: Ist jetzt erhöht worden.) Ich habe aber gehört, daß der Stand reducirt werden soll. Der Andrang der Mädchen ist ein sehr großer. Es ist nur in der Anstalt mitgetheilt worden, daß die Zahl der Vorgemerkten eine sehr große ist, und es schätzt sich jede glücklich, wenn sie eine derartige Anstellung bekommt. Die Arbeitszeit ist eine ziemlich günstige, so nämlich von 04) bis 3 oder 4 Uhr Nachmittags. Bei der Versichernngs-Gesellschaft dauert die Arbeitszeit von ' <9 bis 0,4 Uhr. Das sind Anstellungen, nach welchen sich die bestqualificirten Mädchen sehnen, und wenn eine fl. 30 hat, so wird sie von ihren Colleginnen beneidet.

Dr. Osner: Wie viel Gehalt haben die Mädchen in den Comptoirs ?

Exp. Weizmann: Es kommt nicht selten vor, daß der Chef den Mädchen sagt:Vorläufig kann ich Ihnen nichts zahlen, ich muß erst sehen, was Sie leisten können." Dann bekommen sie oft nur fl. lO oder 15 monatlich. Ich bin darüber, daß die früher vernommene Expertin nur fl. 15 Gehalt hatte, gar nicht erstaunt. Das ist ja gar nicht selten. Dann kommt es auch vor, daß die Mädchen zu rein manipnlativen Arbeiten verwendet werden, zu denen jedenfalls eine solche Qualisieation, wie sie sie besitzen, nicht erforderlich ist. Was die probeweise Verwendung betrifft, so liegt darin eben eine große Ausnütznng der bestehenden Concurrenz. Die Leute könnten nach den vorgelegten Zeugnissen und nach einer zweistündigen Ver­wendung schon wissen, was ein Mädchen zu leisten im Stande ist. Ein Fräulein, welches seit mehreren Jahren in einem großen Comptoir in der Kohlmessergasse thätig ist, hat heute einen Gehalt von sl. 25. Das Fräulein