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hat eine ausgezeichnete Qualifikation. Wenn man einen Comptoiristen daneben stellt, der, nachdem er vielleicht in der zweiten Gymnasialclasse durchgefallen ist und dann die Handelsschule absolvirt hat, mit einem Gehalte von fl. 20 und fl. 30 eintritt und nach zwei, drei Jahren fl. 40 und 50 hat, so er­gibt das ein arges Mißverhältniß. Auch geben sich die Mädchen leider viel­fach zu Arbeiten her, die einem besser vorgebildeten Mädchen nicht entsprechen, wie Auslagen Herrichten, Pulte abstauben u. s. w., und das geschieht nicht nur ausnahmsweise, sondern auch regelmäßig.

Dr. Ofner: Können Sie uns etwas über die Sittlichkeitsverhält­nisse mittheilen? Exp. Weizmann: In dieser Richtung habe ich nichts gehört. Wenn da etwas vorkommt, so würden das wohl vereinzelte Fälle sein, denn die Mädchen sind so wohlerzogen und selbstbewußt, daß sie sich zu wehren wissen würden.

Schluß der Sitzung 9 Uhr 35 Minuten.

32. Sitzung, Sonntag, 19. April, Vormittag.

Vorsitzender: Vardorf.

Beginn 9 Uhr 45 Minuten.

Vorsitzender: Vorläufig sind wir nur in der Lage, eine Expertin aus der Strohhutbranche zu vernehmen, nachdem die als Expertinnen er­schienenen zwei Telephonistinnen erklären, erst dann aussagen zu wollen, wenn mehrere von ihren Colleginnen hier erscheinen werden. Expertin Nr. 147: Die Arbeit der Strohhutnäherinnen besteht darin, daß sie die Strohstreifen, welche aus geflochtenem Stroh bestehen, mit Hilfe einer Form aufnähen. Dann kommen die Hüte in die Appretur, dort sind Männer, dann in die Presserei, wo auch Männer sind. Dann sind die Hüte fertig und werden an die Modistinnen abgegeben. In der Strohhutfabrik, wo ich beschäftigt bin, sind in der Näherei zehn Frauen. In diesem Geschäfte bin ich seit zwei Jahren und seit zehn Jahren überhaupt schon beim Betriebe. Die Saison ist von December bis Pfingsten. Im December geht es noch sehr schwach. Die eigentliche Hochsaison ist vom Jänner bis jetzt. Nach Pfingsten haben wir gar nichts zu thun. Da müssen wir uns um einen anderen Erwerb umsehen. Wenn man nicht ein anderes Geschäft kann, so ist das allerdings sehr schwierig. Bei uns wird im Geschäft gearbeitet und auch außer Hause. Die Werkstätre besteht aus einem kleinen Zimmer mit zwei Fenstern. An Material müssen wir nur den Zwirn, den wir brauchen, selbst kaufen und auch die Nadeln. Den Zwirn müssen wir vom Herrn beziehen und verkauft er uns denselben viel theuerer als er ihn selbst in der Hand hat. Er bekommt eine Spule um 26 und 28 kr., und wir müssen sie mit 36 und 40 kr. be­zahlen. Wir bekommen diesen Zwirn in keinem Geschäft, außer wir haben eine Anweisung vom Herrn. Die Spulen sind sehr groß. Es ist ein be­sonderer Zwirn, der nur für diese Zwecke gebraucht wird. Man braucht täglich mindestens eine Spule. In der Woche braucht man, je nachdem man ein gröberes oder feineres Geflecht zu verarbeiten hat, fünf bis acht Spulen. Die Arbeiterinnen sind meist aus besseren Kreisen und hängen eigentlich nicht von der Arbeit ab. Lehrmädchen haben wir in unserem Betriebe nicht, aber in anderen Geschäften kommen sie vor. Ein solches Lehrmädchen