Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
577
Einzelbild herunterladen

577

dienen, arbeiten auch so lange. Bei Dampfbetrieben ist es aber oft so, daß erst um 10 Uhr die Maschinen zu laufen anfangen und um 12 Uhr schon wieder aufgehört wird, Nachmittags von 2 bis 5 Uhr. Bei uns ist die Arbeitszeit aber gleich.

Dr. Schwiedland: Woher kommt es nun, daß bei gleicher Arbeitszeit doch weniger verdient wird? Exp. Nr. 147: Weil wir des Tages über längere Zeit auf Arbeit warten müssen.

Dr. Schwiedland: Wie viel geben Sie für's Mittagessen aus? Exp. Nr. 147: Gewöhnlich 50 kr. zusammen. (Ueber Befragen.) Die Volksküche wird nicht gerne besucht, weil das Essen nicht gut genug ist. Uebrigens ist die Volksküche auch etwas weit von uns gelegen, aber ich glaube, auch wenn sie näher wäre, würde man sie nicht benützen.

Dr. Schwiedland: Wie viel Kinder haben Sie gehabt? Exp. Nr. 147: Sieben, eines ist im Alter von 4'/s Jahren gestorben.

Vorsitzender: Können Sie sich Unterhaltungen gönnen? Exp. Nr. 147: Wenn einmal im Jahr ein Gründungsfest ist, gehe ich, sonst nicht, die Anderen können sich mehr erlauben, aber viel auch nicht, denn sie müssen sich etwas ersparen für die schlechte Zeit. Wie sie aber leben, ob und wie viel sie sich ersparen, weiß ich nicht.

Dr. Ofner: Haben Sie sich nach der Saison einen gewissen Betrag erspart? Exp. Nr. 147: Nein, wenn ich am Pfingstsamstag zu arbeiten aufhöre, muß ich am Dienstag wieder neue Arbeit suchen, damit wir etwas zu leben haben. Wir müssen in der schlechten Zeit Schulden machen oder gewöhnlich unsere Sachen versetzen. Der Betrag, den wir dafür geliehen be­kommen, beträgt ungefähr st. 30 bis 40. Hauptsächlich fällt uns der Zins sehr schwer.

Dr. Schwiedland: Wissen Sie, wie viel Zinsen Sie zahlen? Exp. Nr. 147: Ungefähr zehn Percent monatlich.

Dr. Schwiedland: Wer liefert Ihnen dieZugehöre zu den Cigarren- fpitzen? Exp. Nr. 147: Die kaufe ich selber, mache die Spitzen fertig und verkaufe sie an Trafiken L lOO Stück im Preise von 26 bis 35 kr., je nach der Qualität des Papiers. Die braunen und weißen kosten a 100 Stück 26 kr., die färbigen 35 kr. Wir können, wenn wir fleißig sind es helfen mir nämlich die Kinder bei dieser Arbeit mit im Tage 1000 Stück machen. Die Auslagen für 100 Spitzen L 26 kr. betragen 16 bis 18 kr. Zum Verkaufen von 1100 bis 1600 brauche ich oft einen halben Tag. (Ueber Befragen.) Im Winter arbeiten die Kinder die Cigarrenspitzen nicht, da sie es allein nicht machen können und ich dazu keine Zeit habe.

Dr. Schwiedland: Wie lange arbeiten Sie, um 1000 Stück fertig zu bringen? Exp. Nr. 147: Das kann man nicht genau bestimmen. Wir fangen um '^7 Uhr Früh an und arbeiten bis 6 Uhr Abends. Pausen machen wir keine. Nach 6 Uhr gehe ich die Spitzen verkaufen. (Ueber Be­fragen.) An Sonntagen muß ich zusammenräumen, flicken u. s. w. Ausflüge machen wir sehr wenig, höchstens gehen wir in's Liebhartsthal.

Vorsitzender: Ich danke der Expertin für ihre Aussagen. Da die beiden Fräuleins, welche von dem Telephonamte hier sind, auf ihrem eingangs der Sitzung ausgesprochenen Standpunkte verharren und weitere Expertinnen nicht erschienen sind, schließe ich die Sitzung.

Schluß der Sitzung 11 Uhr 20 Minuten.

Frauen-EnquSte.

37