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verwendbar ist. Exp. Nr. 146: Wir Mädchen können eben zu dergleichen nicht verwendet werden; wir können ja keine Substitionsvollmacht bekommen.

Expertin Nr. 151: Ich bin in einemModewaaren-Ln ^ros-Geschäft als Adjustirfräulein beschäst'gt. Mein Anfangsgehalt betrug fl. 10; als aber der Chef sah, daß ich mich zum Verkauf eigne, hat er mich zum Lager ge­nommen, und heute, nach dreijähriger Thätigkeit, verrichte ich die Arbeit eines Commis, bediene die Kunden und stelle die Commissionen zusammen. Jetzt vertrete ich die Stelle eines Commis, der eingerückt ist. Vor drei Jahren war ich die einzige Dame in dem Geschäft, jetzt ist ein zweites Mädchen mit fl. 10 Anfangsgehalt, gleichfalls als Adjustirerin, hinzuge­kommen. Mit der Zeit wird wahrscheinlich der Chef mich durch dieselbe er­setzen, da ihm mein Gehalt zu hoch sein dürste. Es sind in dem Geschäft zehn Männer. Mein Vater war Geschäftsführer, ist aber jetzt in Folge von Krankheit zu Hause. Ich habe die Handelsschule und einen Fortbildungs- cursus absolvirt. Von meinen Schwestern ist die eine Schneiderin und die andere Weißnäherin. Der Vater besonderen Fräuleins gehört ebenfalls dem Kausmannsstande an, er ist Agent. Es werden überhaupt in den Ge­schäften nur Mädchen aus besseren Kreisen genommen. Es werden keine Mädchen engagirt, die nicht gut gekleidet sind, und in den Annoncen heißt es immer:Mädchen, bei den Eltern wohnend", erstens wegen des Gehaltes und zweitens wegen der Anständigkeit. Auch ich bin durch die Zeitung in's Geschäft gekommen. Als ich aus der Handelsschule austrat, war ich ein ganzes Jahr Postenlos. Ich wollte nämlich als Comptoiristin gehen und habe keinen Posten gefunden.

Dr. Schwiedland: Es besteht ja eine Arbeitsvermittlung im Gremium der Kaufmannschaft, im kaufmännischen Verein und im Verein für Handelsangestellte? Exp. Nr. 151: Das habe ich damals nicht ge­wußt. Heute bin ich schon Angehörige des Gremiums.

Dr. Schwiedland: Wie viel Bewerberinnen haben sich damals auf Grund der Annonce Ihres Chefs eingestellt? Exp. Nr. 151: Sehr viele, es war in der Früh ein so großer Andrang, daß man eigens die hölzerne Treppe, die zum Geschäfte führt, reinigen lassen mußte, weil damals regnerisches Wetter war. Da nun zu Viele gekommen sind, hat man einfach dieselben weggeschickt. Ich bin zufälligerweise später gekommen, erst um 11 Uhr, und so hat man mich aufgenommen.

Dr. Ofner: Was haben Sie in der Fortbildungsschule gelernt? Exp. Nr. 151: Wir hatteu Deutsch, kaufmännisches Rechnen, Buchhaltung rc. Nachher habe ich noch die Handelsschule absolvirt.

Dr. Ofner: Sie sagten, daß Sie befürchten, daß das andere Fräulein Sie von Ihrer Stelle verdrängen wird? Exp. Nr. 151: Ich fürchte eben, daß jener Gehalt dem Chef zu hoch werden und daß er mich in Folge dessen durch die andere Dame ersetzen wird. Ob das eintreten wiro, dafür habe ich keinen bestimmten Anhaltspunkt.

Vorsitzende: Wurden Sie auch zu Gängen verwendet? Expertin Nr. 151: Wenn der Geschäftsdiener zu viel zu thun hat, müssen wir auch die leichteren Packete besorgen.

Dr. Schwiedland: Haben Sie Winter und Sommer das gleiche Honorar? Exp. Nr. 151: Ja. Die Arbeitsleistung ist aber im Sommer etwas gerinqer als im Winter, ausgesetzt wird aber nie.

Vorsitzende: Müssen Sie Ueberzeit machen? Exp. Nr. 151: Die gewöhnliche Arbeitszeit ist von 8 Uhr Früh bis 8 Uhr Abends in anderen Un §ro8-Geschäften kommt es oft vor, daß bis 9 Uhr gearbeitet wird, ohne daß die Mädchen dafür Extrahonorare bekommen. Mein Anfangsgehalt betrug fl. 10, nach einem halben Jahr bekam ich fl. 15 und so stieg ich allmälig bis auf mein jetziges Honorar: fl. 35. Theils habe ich eine Erhöhung verlangt, theils hat sie mir der Chef selbst be-