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Vorsitzende: Was geben Sie im Jahr für Kleidung aus? Exp. Nr. 151: Das kann ich nicht genau sagen. Ich kaufe mir ge­wöhnlich den Stoff, und meine Schwester macht das Kleid. Im Geschäft muß man anständig gekleidet sein und jede zwei oder drei Monate ein frisches Kleid haben.

(Dr. Hainisch übernimmt den Vorsitz.)

Vorsitzender: Ich höre, daß die Expertin Nr. 150 früher in einem großen Modewaarengeschäft war. Möchten Sie die Freundlichkeit haben, uns darüber zu erzählen. Exp. Nr. 150: Ich selbst war nicht in dem betreffenden Geschäfte und kann nur von einer Collegin mittheilen, was diese mir erzählte. Sie ist mit einem Anfangsgehalt von fl. 20 dort eingetreten. Es gab sehr viel zu thun, und wurden sogar die Nachtstunden dazu genommen. Sie war bei der Strazza. Speciell vor Weihnachten müssen die Mädchen von Früh an den ganzen Tag und die ganze Nacht arbeiten; dann haben sie ein paar Stunden Pause, und Vormittags müssen sie wieder anfangen. Meine Colleginn hat jetzt fl. 40 Gehalt, weil sie zum Beispiel in der Zeit vor Weihnachten bis 4 Uhr Früh arbeitet und dann um 11 Uhr Vormittags wieder im Geschäft sein muß. Auch zu Mittag kann sie nicht nach Hause gehen, weil nur eine Stunde Mittagspause ist. ^

Baronin Vogelfang: Hat Sie sich ein Augenleiden zugezogen, oder trägt sie Brillen? Exp. Nr. 150: Sie trägt keine Augengläser, aber Sie sieht einfach schlecht und hat immer entzündete Augen.

Baronin Vogelfang: Kommt das öfter vor, daß die Augen bei Ihren jungen Colleginnen verdorben werden? Exp. Nr. 150: Ja wohl; auch meine Augen sind, seitdem ich im Geschäft bin, schlecht geworden.

Baronin V o g e l s a n g: Wie alt sind Sie? Exp. Nr. 150: 18 Jahre.

Baronin Vogelfang: Seit wann spüren Sie, daß Sie schlechter sehen? Exp. Nr. 150: Das habe ich schon gleich anfangs, wie ich erst 14 Tage im Geschäft war, wahrgenommen.

Baronin Vogelfang: In der Fortbildungsschule hatten Sie doch auch viel zu lesen und zu schreiben; haben Sie da nicht die Augen ge­schmerzt? Exp. Nr. 150: Nein.

Herrdegen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß Ihre Collegin für diese besondere Ueberanstrengung zu Weihnachten eine Entschädigung erhielt? Exp. Nr. 150: Nein; nicht einmal ein Nachtmahl, gar nichts. Sie bekam blos ein Geschenk, nämlich den Stoff zu einem Kleid.

Expertin Nr. 152: Ich bin seit ganz kurzer Zeit bei einer Versicherungs- Gesellschaft angestellt. Früher war ich durch acht Monate lang als Comptoiristin und Stenographin bei einem anderen Institute beschäftigt. Es waren in dem Bureau Männer und auch Mädchen. Der Oberchef ist zugleich Chef eines anderen Bureaus, so daß meist nur sein Stellvertreter bei uns war. Sonst war in dem Bureau noch ein Buchhalter, ein Fräulein bei der Schreibmaschine und ich. Ich bin durch Empfehlung zu dieser Stelle ge­kommen. Die Arbeitszeit war von 8 bis 12 und von 2 bis 7 Uhr. Wenn mehr zu thun war, mußten wir auch bis Z8 Uhr dort bleiben. Anfangs war das nur ausnahmsweise; später hat sich das so eingebürgert, daß wir nie vor ^ oder 5^8 Uhr fortkamen. Mein Gehalt war dort fl. 25, und zwar gleich anfangs. Es war jedoch keine Aussicht auf Besserung vorhanden. Das andere Fräulein war schon das vierte Jahr dort und hatte fl. 40. Ich hatte jeden zweiten Sonntag frei, indem ich mit dem anderen Fräulein abwechselte.

Dr. Ofner: Wie kommt es, daß das andere Fräulein fl. 40 hat, während Sie doch sagen, Sie hatten keine Aussicht auf ein Avancement? Exp. Nr. 152: Das andere Fräulein ist schon mit fl. 35 Anfangsgehalt aufgenommen worden. Jetzt will der Chef nicht mehr so viel zahlen.