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Dr. Schwiedland: Zahlen sie auch die Reise? Expertin Nr. 159: Ja, das zahlt die Frau, welche sie bringen läßt, und holt sie von der Bahn ab.

Dr. Schwiedland: Diese Mädchen haben also durch drei bis vier Jahre keinen Gehalt? Exp. Nr. 159: Kost, Quartier und Gewand.

Dr. Schwiedland: Und was verdienen sie dann? Expertin Nr. 159: Was die Frau jetzt zahlt, weiß ich nicht, aber viel ist es nicht. Zu meiner Zeit waren es fl. 3 bis 4 pro Monat außer der Verpflegung.

Dr. Brezina: Sind diese drei bis vier Jahre nothwendig für das Auslernen oder behält man die Mädchen nur lange, um nicht zahlen zu müssen? Exp. Nr. 159: Gar keine Idee, daß das nothwendig ist, in einem Jahre können sie es lernen.

Herrdegen: Sie sticken nur Monogramme? Sie selbst bekommen nur Kundenarbeit zur Ausführung? Exp. Nr. 159: Ja.

Herrdegen: Wird also durch die böhmischen Stickerinen Alles er­setzt? Exp. Nr. 15!»: Ja, auch in Ungarn sind solche Fabriken.

Dr. Osner: Können Sie uns dasjenige, was Sie uns erzählen, als heute bestehend bezeichnen oder war das nur vor 30 Jahren so, wie Sie gelernt haben? Exp. Nr. 159: Auch jetzt ist es so. Diese Stickerin existirt noch und arbeitet für Geschäfte, für welche ich auch arbeite. Es sind zwei Mädchen von ihr fortgegangen es wird jetzt ein Jahr her sein und die haben das erzählt, daß es noch so ist wie damals.

Vorsitzende: Wie sind denn die Mädchen dort untergebracht? Exp. Nr. 159: Die Betten sind in der Küche übereinander, an beiden Seiten als Stockbetten, wie es einmal bei den Schuhmachern war. In der­selben Küche wird gekocht und sie hat kein Fenster. Die Betten sind nicht rein, die Frau ist überhaupt sehr unrein und es herrscht viel Ungeziefer. Wenn man in die Schienen an den Rahmen, wo die Lückerl sind, mit einem Nagel hineinsticht, so kommt lauter Ungeziefer heraus. Um 5 Uhr Früh stehen die Mädchen aus und setzen sich zur Arbeit. Daraus, daß die Mädchen sich waschen, wird nicht geschaut.

Dr. v. Fürth: Werden die Lehrmädchen aufgednngen?Expertin Nr. 159: Ich glaube, bei der Stickerei nicht. Es sollte sein, aber es ge­schieht nicht.

Vorsitzende: Wenn sie nicht aufgednngen sind, sind sie keine Lehrmädchen, sondern Arbeiterinnen ohne Gehalt. Arbeiten diese Mädchen nach einem Jahre Alles? Exp. Nr. 159: Ja, man kann das in einem Jahre ganz gut lernen. Ich habe bei meinen Eltern gewohnt, bin Früh um halb 9 Uhr hingegangen, habe im Monat sl. 3 gezahlt und habe dann in einem Jahre genügend gelernt.

Vorsitzende: Sind außer den Lehrmädchen auch bezahlte Arbeiterinnen dort? Exp. Nr. 15!»: Ja, diejenigen, welche aus­gelernt haben, behält sie, so lange sie bleiben. Sie sind aber sehr schlecht bezahlt und gehen endlich doch fort.

Dr. Ofner: Wie viel bekommen diese? Exp. Nr. 159: Ich glaube, jetzt monatlich sl. 0 bis 7; natürlich gibt sie ihnen hin und wieder ein Kleid, und die Mädchen sind glücklich, weil sie wissen, daß sie in Böhmen nur die paar Kreuzer bekommen.

Vorsitzende: Wie lange arbeiten die Lehrmädchen? Expertin Nr. 159: Wie die gezahlten: im Sommer von 5 Uhr Früh, so lange es Licht ist, im Winter zu Weihnachten, wenn die Saison ist, oft ganze Nächte durch. Jedenfalls bis 12 oder 1 Uhr, die letzten Tage vor Weihnachten ganz durch. Qb die Mädchen dafür etwas extra bekommen, weiß ich nicht.

Vorsitzende: Wie können die Mädchen das aushalten? Exp. Nr. 159: Sie halten es doch aus, und es ist so, wie ich es sage. Die Arbeit muß fertig werden, und es wird darauf losgearbeitet.