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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Vorsitzende: Nun, Sie selbst arbeiten für Geschäfte und Privat- kunden? Exp. Nr. 159: Ja.

Vorsitzende: Und wenn Sie zu viel Arbeit haben, so geben Sie sie dann weiter? Exp. Nr. 159: Ja.

Vorsitze nde: An wen denn? Exp. Nr. 159: Ich habe ein junges Mädchen, welches st. 1'20 bekommt; fl. 1 aber kann man sich bei der Monogrammstickerei leicht verdienen, das geht nach Stück.

Vorsitzende: Arbeitet Jemand bei Ihnen in der Wohnung? Exp. Nr. 159: In der Wohnung nur ich.

Vorsitzende: An wie viel Arbeiterinnen geben Sie Arbeit außer Haus? Exp. Nr. 159: Jetzt an zwei. Wenn Saison ist, muß ich drei oder vier haben.

Vorsitzende: Die sind auch aus Böhmen? Exp. Nr. 159: Eine ist aus Böhmen, die verdient sich aber ein gutes Geld.

Vorsitzende: Stickt die das ganze Jahr? Exp. Nr. 159: Ja. Die Andere hat etwas Geld. Ihr Vater war Officier. Sie hat auch eine Pension von ihrer Mutter aus, und nebstbei verdient sie etwas. Sie arbeitet aber nicht viel und verdient vielleicht 60 bis 70 kr. im Tag.

Vorsitzende: Geben Sie auch der das ganze Jahr Arbeit? Exp. Nr. 159: Nur in der Saison.

Vorsitzende: Bekommt diese Osficierstochtcr dasselbe wie die Böhmin ? Exp. Nr. 159: Ja.

Vorsitzende: Was ist die dritte Arbeiterin? Exp. Nr. 159: Ihr Mann ist Tischler. Ihr geht es nicht gut, sie hat drei Kinder und kann nicht viel arbeiten. Sie verdient nur 40 bis 50 kr. im Tag und macht die mindere Arbeit.

Vorsitzende: Was für Arbeiterinnen sind die, welche Sie in der Saison haben? Exp. Nr. 159: Die sind nicht fest. Die bekomme ich durch Annoncen.

Vorsitzende: Sie haben einen Haushalt und keine Kinder? Exp. Nr. 159: Ja.

Vorsitzende: Kochen Sie zu Hause? Exp. Nr. 159: Dann und wann, wenn viel zu thun ist, kann ich nicht kochen.

Vorsitzende: Was verdienen Sie im Tag, wenn Sie kochen? Exp. Nr. 159: fl. 1'20 bis 1'30. Da fange ich Früh um 7 Uhr an und arbeite am Abend, bis mein Mann nach 6 Uhr kommt.

Vorsitzende: Ist das Kundenarbeit oder Arbeit für Geschäfte? Exp. Nr. 159: Meistens für Geschäfte; die Kundenarbeit ist das Geringere. Ich habe große Geschäftshäuser, wo man immer Ausstattungen braucht. Ich sticke nur Monogramme, das Schlingen mache ich nicht selbst, weil man dabei zu wenig verdient.

Vorsitzende: Was bekommen Sie für einen Meter Schlingeret, welche gewöhnlich für Frauenhemden gemacht wird? Exp. Nr. 159: Für feinere Schlingeret 18 kr., das ist schon viel.

Vorsitzende: Wie lange braucht man, um einen Meter gut.zu sticken? Exp. Nr. 159: Bei sehr großer Uebung drei Stunden.

Vorsitzende: Ist das schon vorgezogen? Exp. Nr. 159: Vorgedruckt, aber nicht vorgezogen.

Vorsitzende: Kann auch das Vorziehen in dieser Zeit mitgemacht werden? Exp. Nr. 159: Ja.

Vorsitzende: Kann man bei Licht sticken? Exp. Nr. 159: Ja. Im Winter ist oft das Nachtlicht besser, man hat da eine Lichtkugel, wie sie die Graveure haben, und die gibt ein sehr schönes Licht.

Vorsitzende: Wie lange kann eine Stickerin das ganze Jahr hindurch täglich sticken, ohne daß sie krank wird? Exp. Nr. 159: Ich arbeite das ganze Jahr, nur im Sommer durch einen Monat nicht, sonst alle