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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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mal nur 20 kr. für Mittagessen und Nachtmahl. Wenn es etwas besser geht, wird ein Viertelkilo Rindfleisch für zwei Tage gekauft, welches an beiden Tagen zu Mittag gegessen wird. Für das Abendessen wird Reis für zwei Abende um 8 kr. gekauft. Wenn es nicht gut geht, essen wir kein Fleisch, sondern es werden Erdapfel, Reis und Gemüse zubereitet. Manchmal zum Nachtmahl essen wir Käse. Wenn die Zwetschken im Herbst billiger sind, nehmen wir Zwetschken, ein bischen Wasser dazu, ein Stückchen Brot; das ist das Nachtmahl.

Vorsitzende: Wie oft im Monat kommt das vor, daß Sie ein Viertelkilo Rindfleisch kaufen? Exp. Nr. 161: Manchmal einen ganzen Monat nicht. Der Doctor hat gesagt, ich soll zweimal täglich Fleisch essen und Wein trinken. Ich war früher immer gesund, aber zart. Nach der Operation war ich sehr hergenommen, und da hat der Doctor gesagt, ich kann keine Kraft bekommen, die Nerven sind schwach, ich muß Fleisch essen. Ich spüre das auch, aber es wird nicht anders. Wir haben manchmal zwei bis drei Monate kein Rindfleisch. (Es wird festgestellt, daß die Krankheit ohne äußeren Unfall eingetreten ist.)

Dr. Adler: Haben Sie sich nicht Mühe genommen, eine andere Arbeit zu bekommen, die einträglicher ist? Exp. Nr. 161. Ich kenne sehr wenig Leute hier.

Dr. Adler: Sind Sie nicht in Geschäfte gegangen? Expertin Nr. 161: Sie geben Einem keine Arbeit, wenn man nicht recommandirt ist. Sie wissen nicht, ob man arbeiten kann.

Dr. Ofner: Sie könnten aber etwas zeigen, was Sie gearbeitet haben. Exp. Nr. 161: Man muß aber eine Caution erlegen, und die habe ich nicht.

Vorsitzende: Sie hat schlechte Möbel und bekommt deshalb die Arbeit nicht.

Schluß der Sitzung 7 Uhr 20 Minuten.

34. Sitzung» Wuntag, 20. Npril 1896.

Vorsitzender: Dr. Kai;!.

Beginn der Sitzung 7 Uhr 10 Minuten Abends.

Vorsitzender: Ich eröffne die Sitzung und beginne mit der Vernehmung des Herrn Jacob Fischl, Chefs der Firma D. Fischl's Söhne. Experte Fischl: Wir fabriciren Damenconsection jeder Art; Damen-, Mädchen- und Kinderconsection en Aros und haben außerdem jetzt eine Detailabtheilung Rothenthurmstraße 12 errichtet. Wir können im Hause nicht so viele Arbeiter unterbringen, weil die Miethverhältnisse es nicht gestatten. Wir haben aber zwei Werkstätten etablirt, wo auch bis zu 60 Arbeiter arbeiten. Da jetzt in Folge der schlechten Witterung weniger Arbeiter nöthig sind, wurden am letzten Samstag in der Damenconfections- Abtheilung blos 46 Arbeiter und 24 Meister ausbezahlt. Die letzteren sind Zwischemneister; von ihnen habe ich mir Notizen gesammelt, die ich hier deponiren will. Ich kann natürlich nicht verbürgen, daß die Angaben ganz genau stimmen, aber die Leute sind als verläßlich bekannt.

Vorsitzender: Sind die Arbeiter in der Werkstätte männlichen und weiblichen Geschlechtes? Exp. Fischl: Theils männlichen, theils weiblichen; in der sogenannten englischen Werkstätte sind nur Männer be­schäftigt, in der anderen Confection meistens Mädchen und Frauen.