611

Herrdegen: Es ist also nickt nothwendig, daß das Mädcken das Schneidergewerbe erlernt hat? Exp. Fischt: Etwas muß sie wohl gelernt haben, nähen muß sie können. Der Zuschneider ist mir dafür ver­antwortlich, und wenn er sieht, daß sie nichts leisten kann, schickt er sie fort.

Herrdegen: Wie lange muß also ein solches Mädchen gearbeitet haben, um sl. 7 zu verdienen? Exp. Fischl: Das bin ich leider nicht in der Lage, zu beantworten, da wir die Werkstätte erst seit kurzer Zeit eingerichtet haben.

Herrdegen: Dann haben Sie gesagt: dort, wo propre Arbeit nothwendig ist, können Mädchen nicht verwendet werden, muß man zumeist Gesellen verwenden. Erfordert diese Arbeit eine besondere Geschicklichkeit oder werden deshalb Gesellen beschäftigt, weil sie eine bessere gewerbliche Ausbildung erlangt haben? Denn die Männer haben doch alle die vorge­schriebene Lehrzeit hinter sich?Exp. Fischl: Das kann ich nicht wissen, weil das nicht meine Sache ist.

Baronin Vogelfang: Worin besteht das Vorrichten? Experte Fischl: Der Stoff wird zugeschnitten.

Baronin Vogelfang: Wenn das Stück zugeschnitten ist, heftet der Vorrichter den Stoff? Exp. Fischl: Nein. Er schneidet zu, und die Arbeiterin muß das Ganze fertig machen.

Vorsitzender: Ich danke; wir vernehmen nun Expertinnen aus der Cravattenbranche.

Expertin Nr. 162: Ich bin jetzt selbstständig, habe aber keinen Laden, sondern nähe für ein Geschäft. In diesem sind zwei Näherinnen und ein Lehrmädchen, manchmal auch vier bis fünf Näherinnen beschäftigt. Es wird auch Arbeit außer Haus gegeben, aber nur Theile. Ich selbst nähe Alles. In dieser Branche werden nur Frauen beschäftigt. Lehrmädchen werden bei uns im Geschäfte nicht verwendet.

Herrdegen: Hat die Fabrik keine Arbeiterinnen im Hause? Exp. Nr. 162: Nein, Mes wird an Zwischenmeisterinnen ausgegeben; eine solche bin ich auch. Ich selber beschäftige Niemand. Ich gebe nichts außer Hause, denn ich kann eine Cravatte vollständig machen.

Herrdegen: Wie haben Sie das gelernt? Exp. Nr. 162: Ich war drei Monate Lehrmädchen, habe kein Lehrgeld gezahlt. Ich habe aber nicht in dieser Zeit gelernt, eine Cravatte vollkommen fertig machen, das wird nie gelehrt. Wenn man es nicht selbst lernt, so kann man es nicht. (Ueber Befragen.) Bei der Zwischenmeisterin waren zwei Arbeiterinnen, und außerdem arbeitete die Frau selbst mit. Als ich die Cravatte selbst voll­kommen machen konnte, war ich noch in einigen Nähanstalten und habe dann von den Geschäften selbst Arbeit übernommen, ebenso wie jetzt. «Ueber Befragen.) Ich habe kein Lehrmädchen. Ich mache nur Maschen, und zwar nur für Ein Geschäft. Expertin Nr. 163: Ich arbeite ebenfalls für Ein Geschäft, und zwar auch allein.

Herrdegen: Wie haben Sie das Cravattennähen gelernt? Exp. Nr. 163: Mit 14 Jahren bin ich in die Lehre gekommen und habe sechs Monate gelernt. Lehrgeld habe ich nicht gezahlt. Nach sechs Monaten hohe ich fl. 1'50 pro Woche bekommen, nach einem Jahre um 80 kr. mehr. Alle zwei, drei Tage mußte ich liefern gehen, da bin ich erst nach 8 Uhr nach Hause gekommen. Für den Gang habe ich 6 kr. bekommen. Eine Näherin war dort; die war schon zehn Jahre bei dieser Frau und hat sl. 5 wöchentlich gehabt.

Herrdegen: Haben Sie während der sechs Monate, wo Sie lernten, je eine einzige Cravatte ganz fertig gemacht? Exp. Nr. 163: Das habe ich nie zu arbeiten bekommen, sondern immer nur Kleinigkeiten, und zwar .Militärcravatten; Civilcravatten sind nur höchst selten gemacht worden. Auch heute mache ich nur Militärcravatten. Expertin Nr. 164: Ich bin jetzt

39 *