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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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fünf Jahre dabei ist, bekommt sie fl. 5, und kann Eine die Arbeit selbst­ständig zusammensetzen, wie die Frau, so kommt sie aus fl. 6. Das muß aber eine sehr tüchtige Arbeiterin sein.

Exp. Nr. 163: Nach sechs Monaten Lehrzeit bekam ich fl. 1-50

und nach einem Jahre 50 kr. mehr. Dann erhielt ich nach sechs, sieben,

acht Monaten immer um 50 kr. mehr. Nach fünf Jahren habe ich fl. 4'50 bekommen. Eine Näherin war zehn Jahre dort; die hatte fl. 5 pro Woche. Jetzt bin ich selbstständig und arbeite für ein größeres Geschäft. Ich bekomme per Dutzend gezahlt und habe nichts an Material beizustellen.

Exp. Nr. 164: Ich lernte zwei Monate. Nach dieser Zeit erhielr

ich fl. 1 die Woche. Nach fünf Jahren hatte ich fl. 6. Trotz dieser langen Zeit habe ich doch nicht zuwege gebracht, eiue Cravatte ganz fertig zu machen.

Exp. Nr. 162: Ich habe drei Monate gelernt, habe dann fl. 1

pro Woche bekommen, nach zwei Monaten 50 kr. Zulage, nach weiteren zwei Monaten 30 kr. Zulage und bin schließlich auf fl. 2'50 pro Woche gestiegen. Es war noch eine Näherin dort, die hat fl. 3'50 gehabt.

Herrdegen (zur Exp. Nr. 165): Welcher Unterschied ist denn zwischen einem Lehrmädchen und Lehrfräulein? Exp. Nr. 165: Wenn ein Fräulein das Cravattennähen erlernen will, so muß sie fl. 10 bis 15 zahlen. Sie geht zur betreffenden Frau, wo sie lernt, 14 Tage hin; sie kann kommen und gehen, wann sie will. Die Meisterin zeigt ihr beiläufig, wie man das näht, wie man zusammensetzt u. s. w., aber den Chic muß sie selbst erkennen. Nach 14 Tagen kaun sie gehen und von Fabriken Arbeit annehmen. Ob das Mädchen auch wirklich etwas gelernt hat, darum kümmert sich die Frau nicht.

Herrdegen: Ist das in der Regel so, daß die Fräuleins nur l4 Tage lernen ? Exp. Nr. 165: Zwei, höchstens drei Wochen, länger bleiben sie nicht.

Herrdegen: Gehören diese Fräuleins den besseren Ständen an? Exp. Nr. 165: Ja, Beamtenstöchter und ähnliche. Sie wollen sich ein Nadelgeld verdienen.

Herrdegen: Wie kommen diese Lehrfräuleins zu den Zwischen- meisterinnen? Exp. Nr. 165: Sie annonciren in den Zeitungen:Lehr­mädchen und Lehrfräuleins werden aufgenommen." Die Zwischenmeister suchen durch Heranziehung von Lehrfräuleins einen Gewinn. ((Ueber Be­fragen.) Wie lange die Lehrmädchen lernen, ist nicht bestimmt; aufgedungen werden sie nicht, ich bin auch nicht aufgedungen worden.

Vorsitzender: Und die anderen Expertinnen? Exp. Nr. 162, 163 und 164: Auch nicht.

Mittels höfer (zur Exp. Nr. 163): Beschäftigen Sie irgend welche Arbeiterinnen? Exp. Nr. 163: Nein, ich arbeite allein.

W itt el sh ö f er: Wie viel verdienen Sie sich selbstständig nach Abzug der beigestellten Zubehör? Exp. Nr. 163: Je nach der Menge der Arbeit. Ich habe die bessere Arbeit, und da ist nicht immerwährend zu thun. Ich muß neben der Cravattenarbeit auch häusliche Arbeiten ver­richten. Wenn Saison ist, muß ich den ganzen Tag nähen, Vormittag drei, vier Stunden und den ganzen Nachmittag. Da mache ich immer dieselbe Kategorie von Cravatten, und zwar Militärcravatten. Wenn ich voll beschäftigt bin, mache ich drei Dutzend täglich. Für ein Dutzend bekomme ich 50 kr.; die Auslagen, welche ich für Wolle und Pappendeckel habe, sind sehr gering, sie betragen nur ein paar Kreuzer. Die Saison ist nicht beständig. Jetzt haben wir Saison, nach ein paar Wochen hört sie wieder auf.

Witte lshöfer (zur Exp. Nr. 165): Sie sagten, daß Juli und