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Vorsitzender: Gibt es auch bei Militärcravatten Theilarbeit? Exp. Nr. 163: Ja.

Baronin Vogelfang (zn den Exp. Nr. 163 und 162): Sie sagten, Sie bekamen nie bei der Zwischenmeisterin eine ganze Cravatte zu machen. Wie haben Sie es nun gelernt? Exp. Nr. 163: Nach meinen eigenen Vortheilen. Ich habe eine Cravatte aufgetrennt und habe mich dann nach dieser zu Hause eingeübt.

Baronin Vogelfang: Nach wie viel Jahren thaten Sie das? Exp. Nr. 163: Nach fünf Jahren.

Baronin Vogelfang: Warum thaten Sie es nicht früher? Exp. Nr. 165: Da fehlt der Muth dazu.

Exp. Nr. 162: Auch ich habe die Cravatten selbst machen gelernt, und zwar als ich fünf Jahre bei dieser Arbeit gewesen war.

Herrdegen (zur Exp. Nr. 164): Welche Gattungen von Cravatten sind dort, wo Sie waren, gemacht worden? Exp. Nr. 164: Phantasie- Cravatten, Selbstbinder und Doppellord.

Herrdegen: Wissen Sie, wie viele Arbeiterinnen an einer Cravatte zu arbeiten hatten? Exp. Nr. 164: Drei Arbeiterinnen, und das Zu­schneiden besorgt die Frau.

Herrdegen: Wissen Sie, was die Unternehmerin für ein Dutzend Cravatten bekommt? Exp. Nr. 164: Das war nicht immer gleich. Für die feineren fl. 1'20, 1 30, für die Selbstbinder 70 kr. per Dutzend. Diese wurden auch zumeist gemacht. (Auf Befragen.) Wir brachten, wenn die Frau und ihre zwei Töchter mitarbeiteten, täglich zehn Dutzend fertig. Zubehör mußte sie nicht beschaffen, sondern nur Wolle und Zwirn. Das kostet per Dutzend sehr wenig.

Vorsitzender (zur Exp. Nr. 165): Ist es bei der Cravatten - erzengung üblich, daß die Mädchen in der Wohnung der Meisterinnen auch wohnen? Exp. Nr. 165: Das kommt auch vor. Ich habe von einer Arbeiterin gehört, daß eine Meisterin ein Mädchen ausgenommen hat, welches zwei Jahre lernen mußte und dann Kost,und Wohnung und fl. 1 bis 2 bekam.

Vorsitzender: Sie sprachen früher von einem Lohne von fl. 2 bis 3. Ist bei diesem Lohne auch Kost und Wohnung nebstbei gegeben worden? Exp. Nr. 165: Nein, fl. 2 bis 5 ist der vollständige Lohn. (Aus Befragen des Vorsitzenden.) Das Local, wo ich arbeitete, war immer sehr nett. Es waren bessere Leute. Der Herr war Beamter. Expertin Nr. 164: Wir haben auch ein hübsch großes Zimmer gehabt.

Dr. Ofner: Schlief Jemand in dem Zimmer? Exp. Nr. 164:

Nein.

Dr. Ofner: Und bei den anderen Expertinnen? Exp. Nr. 162: O ja, dort, wo ich gearbeitet habe, schon. Der Mann war Schuhmacher und hat im selben Zimmer geschlafen, wo wir arbeiteten. Da waren auch mehrere Kinder. Gelüftet wurde nicht. Wenn wir um 7 Uhr gekommen sind, wurde erst zusammengeräumt. Inzwischen mußten wir aber schon arbeiten. Die Frau hat das Zimmer ausgekehrt. Beim Fräulein, wo ich und meine Schwester gelernt haben, mußten wir am Abend, wenn wir mit der Arbeit fertig waren, auskehren. Fenster und Boden haben wir nicht gereinigt. Es kommt überhaupt selten vor, daß eine Arbeiterin das zu machen hat, außer wenn sie sich für häusliche Arbeiten mehr schickt als für die Näharbeit.

Exp. Nr. 163: Auch dort, wo ich war, wurde im Arbeitszimmer ge­schlafen. Es waren sieben Kinder da. Wenn man Früh in die Arbeit ge­kommen ist, wurde erst zusammengeräumt. Es war da noch nicht gelüftet. Im Winter ist überhaupt wenig gelüstet worden. Da war in der Früh der ganze Dunst vom Schlafen noch im Zimmer.