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ist es leichter, daß sich die Arbeiterinnen an den Chef selbst wenden, aber hier nicht.

(Dr. Verkauf übernimmt den Vorsitz.)

Expertin Nr. 166: Ich bin Heimarbeiterin der Schuhstickerei. Ich nehme aus der Fabrik Arbeit mit für mich, meine Schwester, einige Frauen und Fräuleins, die ich beschäftige. Die Zahl der bei mir Be­schäftigten richtet sich nach der Saison, die sehr unregelmäßig ist. Im Sommer ist während vier bis fünf Monaten viel zu thun, und da beschäftige ich außer meiner Schwester noch drei bis vier Personen. Wenn wenig zu thun ist, arbeiten ich und die Schwester allein. Ich habe keine Lehrmädchen. Die Arbeiterinnen recrutiren sich meist aus besseren Häusern. Sie arbeiten nicht etwa in meiner Wohnung, sondern bei sich zu Hause. In der Fabrik, für die ich arbeite, wird derlei Arbeit an Zwischenmeisterinnen vergeben. Ich gehe zweimal wöchentlich in die Fabrik liefern und verliere dabei jedesmal drei, vier stunden, da ich in der Fabrik eine Stunde mich aufhalten und auf dem Wege das Materials einkaufen muß, das ich selbst beistelle. Ich werde per Dutzend bezahlt. Ich zeige in der Fabrik, wie viel Baarauslagen ich an dieser Arbeit hatte, und darnach wird der Lohn berechnet. Die Arbeits­zeit ist bei mir verschieden. Ich selbst arbeite von 8 bis 12 Uhr Mittags; wenn viel zu thun ist, pausire ich zu Mittag nicht, sondern arbeite fort, so lange es licht ist. Wenn besonders viel zu thun ist, arbeite ich auch bei Lampenlicht. An Sonn- und Feiertagen arbeite ich nicht; wenn ich Samstag mit der Arbeit nicht fertig bin, so lasse ich mir bis Montag Zeit. Ich mache keine Frühstücks- oder Jausenpause.

Dr. Schwiedland: Auf welche Weise finden Sie denn die Frauen, die für Sie arbeiten? Exp. Nr. 166: Theils durch Annoncen, theils melden sich auch die Frauen, die Taschengeld verdienen wollen.

Dr. Schwiedland: Diese Frauen arbeiten wohl ziemlich un­regelmäßig; wie behelfen Sie sich nun, wenn Sie eine dringende Arbeit haben, die in kurzer Zeit fertig werden muß? Exp. Nr. 166: Ich be­komme keine dringende Arbeit. Dafür sind übrigens in der Fabrik selbst drei Personen beschäftigt.

Dr. Schwiedland: Arbeiten Sie auch mit einer Maschine? Exp. Nr. 166: Nein. Nur mit der Hand.

Dr. Schwiedland: Entwerfen Sie auch selbst Muster? Ex­pertin Nr. 166: Ja. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich arbeite bereits seit 12 Jahren, und die Verhältnisse haben sich seit der Zeit immer ver­schlechtert, weil die Fabrikanten immer weniger zahlen. Wenn ich zu viel ver­lange, bekomme ich keine neue Bestellung. Der Fabrikant selbst bekommt jetzt für die Waare weniger bezahlt. Da die Arbeit nach der Mode von Jahr zu Jahr eine verschiedene wird, so kann ich keine fixen Zahlen an­geben, aus welchen hervorgehen würde, in welchem Maße sich die Löhne vermindert haben. Es gibt aber keine Frauen, die sich ausschließlich von der Schuhstickerei erhalten. Von den st. 5 bis 6 Wochenlohn kann man sich doch nur knapp erhalten, und dazu kommt manchmal eine schlechtere Saison vor, wo nichts zu thun ist. Seit vier bis fünf Jahren ist überhaupt die Arbeit schlechter gegangen; denn der Fabrikant exportirt nach Südamerika, und dieser Export wurde durch die dortigen Unruhen gehemmt. Da haben wir jährlich etwa fünf Monate gearbeitet und dann die ganze Zeit haupt­sächlich Musterarbeit. Die kann man aber nicht rechnen, da sie ebenso be­zahlt wird wie die übrige Arbeit und viel mehr zu thun gibt. Es liefern für diese Fabrik, welche so ziemlich eine der größten ist, im Ganzen drei Zwischenmeisterinnen.

Dr. Ofner: Wenn Sie nur fünf Monate Arbeit hatten, was thaten Sie die übrige Zeit? Exp. Nr. 166: Es ist ja auch für mich nur ein Nebenverdienst.