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Frau Schlesinger: Auf welche Weise haben Sie die Stickerei erlernt? Exp. Nr. 166: Ich habe keine specielle Schule durchgemacht.

Frau Schlesinger: Sind die Fräuleins, die für Sie arbeiten, in die Fachschule gegangen? Exp. Nr. 166: Nein.

Frau Schlesinger: Ist also Ihre Arbeit eine leichte? Expertin Nr. 166: Das nicht, aber die Vorbildung in einer Fachschule ist nicht noth­wendig.

Dr. Schwiedland: Wenn Sie ein Muster erfanden, das dem Fabrikanten gefiel, hatten Sie dann darauf gewissermaßen ein Monopol? Exp. Nr. 166: In der ersten Zeit bekomme ich dieses Muster allein, und dann kommt es auch den anderen zwei Zwischenmeisterinnen zu Gute.

Dr. Schwiedland: Alle von Ihnen Beschäftigten sind wohl nicht g egen Krankheit versichert? Exp. Nr. 166: Nein.

Vorsitzender: Wir gelangen nun zu den Experten, die über die Lage der Theaterangestellten Auskunft geben. Experte Herr Ernst Niedt, Oberregisseur und Vorstand des Vereines österreichischer Bühnen- angehöriger: Ueber die in Wien vorhandenen Th eaters chulen kann ich folgende Auskünfte geben: Es gibt in Wien vielleicht an 40 Schauspiel­schulen, jedenfalls mehr als der Bedarf erfordert. Es wird dadurch ein großes Geschäft gemacht und die dort Unterrichteten werden nicht nur für Oesterreich, sondern auch für Deutschland engagirt, so daß wir also in dieser Beziehung ein Exportland sind. Es gibt in Wien vier bis fünf größere Schulen, die auch die Berechtigung haben, Vorstellungen zu veranstalten. Die kleineren Unterrichtsanstalten sind keine eigentlichen Schulen; die Lehrer sind nur einzelne Leute, die sich eben mit dem Unterricht beschäftigen. Ihre Zahl kann man kaum angeben, denn alle möglichen Leute, welche meinen, Komödie spielen zu können, halten sich auch für befähigt, zu unterrichten. Diese Schulen be­dürfen keiner Concession, nur jene, welche Aufführungen veranstalten. Der Zufluß von weiblichen Schülern ist größer, als der von männlichen. Im Allgemeinen ist der Verdienst der Besitzer der Schauspielschulen recht aus­kömmlich. Meist waren diese Leute früher Schauspieler oder haben sich Schau­spieler genannt, und dann geben sie einfach Unterricht, studiren den be­treffenden Leutchen für ein mehr oder minder großes Honorar einzelne Rollen ein und verschaffen ihnen ein Engagement. Häufig sind jedoch die Voraussetzungen für einen wirklich guten Unterricht nicht gegeben.

Vorsitzender: Ist bei diesen Lehrern die moralische Qualifikation, die ja auch eine Rolle spielt, vorhanden? Exp. Niedt: Ich kann da nur von dem sprechen, was ich gehört habe. denn man würde sich wohl hüten, wenn ich eine Theaterschule besuchte, sich irgend eine Blöße zu geben. Aber ich habe Dinge gehört, welche ich gar nicht wiederholen mag. Ich kann also nicht aus eigener Anschauung erklären, es werden Unmoralitäten ge­lernt, aber die Mädchen, die zum Theater gehen wollen, werden auch im Coquettiren u. s. w. unterrichtet. Die Lehrer allerdings nicht alle lehren nicht blos die reine Schauspielkunst, die sich eigentlich gar nicht lehren läßt, sondern auch das, was man die Praxis beim Theater nennt. Die Praxis, das ist das Technische, die richtige Betonung, vor Allem deutsch sprechen, Mimik, Gesticulationen, der Ton u. s. w. Das Alles sind die technischen Fertigkeiten, die unter Umständen auch recht weit ausgedehnt werden können, indem man den Damen sagt:Tu mußt die Augen fleißiger gebrauchen, mußt in's Pnblicum hineincoquettiren, dann findest Du unter Umständen Beifall bei gewissen Fächern." Das Alles zusammen macht die Praxis. Die Bezahlung in den Schauspielschulen ist sehr verschieden. Die jungen Leute recrutiren sich aus den verschiedensten Berufskreisen, und je nach den Mitteln richtet sich die Bezahlung des Lehrers. Unter Umständen begnügt er sich