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die Saison beginnt. Es werden eben die älteren Schauspieler ausgestoßen, weil die jüngeren Kräfte billiger sind und die älteren zurückdrängen. Heut­zutage ist ein Schauspieler, der 40 Jahre alt ist, schon ein alter Mann, ein Mädchen von Z0 Jahren eine alte Dame, wenn sie sich nicht sehr conservirt.

Vorsitzender: Können denn die älteren Schauspieler, die wohl ausgebildete Kräfte sind, durch jüngere ersetzt werden? Exp. Niedt: Es kommt auf möglichst billige Leute an. Es entscheidet der niedere Gehalt und das äußere Aussehen. Heutzutage müssen die Directoren alle mög­lichen Mittel anwenden, um die Leute in's Theater zu ziehen. Mit der reinen Kunst ist dies in vielen Städten nicht mehr möglich. Man sieht hauptsächlich darauf, daß schöne Gesichter, junge Leute auf der Bühne erscheinen.

Vorsitzender: Also das Unterkommen für junge Schauspieler ist leicht, und zwar durch Unterbieten? Exp. Niedt: Ja wohl.

Vorsitzender: Ist es nicht auch im Interesse der Agenturen, daß dieser Austausch zwischen Jüngeren und Aelteren stattfindet? Experte Niedt: Gewiß; ich möchte übrigens bemerken, daß in Frankreich die Verhältnisse ganz anders liegen. Da kann die älteste Dame Komödie spielen, wenn sie nur etwas leistet. Hier ist das nur in den ersten Kunst­instituten der Fall. (Auf Befragen des Vorsitzenden.) Was speciell die Agenturen in Bezug auf die Vermittlung von Engagements von Schau­spielern und Sängerinnen betrifft, so ist die Zahl derselben sehr groß. Die Agenturen verkehren mit den Directoren, und wer den Letzteren das beste und billigste Material bietet, mit dem schließen sie ab. Man könnte sagen, daß es im Interesse der Agenten wäre, möglichst hohe Engagements abzuschließen, weil sie höhere Percente erhalten. Das thun aber die Agenten nur dann, wenn der betreffende Künstler schon einen Namen hat und die betreffende Direction sich sehr bemüht, ihn zu bekommen. Sonst aber trachten die Agenten möglichst viele Abschlüsse zu vermitteln, um die Kundschaft der Directoren zu erhalten. Die Schauspielerinnen müssen den Agenten gewöhn­lich 5 Percent der Gage bezahlen, und zwar so lange der Contract dauert, der in der Regel für eine kleine Provinzbühne auf eine Saison abgeschlossen wird. Die Wintersaison dauert vom September oder October bis Palmsonntag, das sind 7'/2 bis 8 Monate. Officiell werden 5 Percent bezahlt, es ist aber uncontrolirbar, wie viel ein­zelne Agenten oder aurh deren Schreiber und dritte Personen noch vom Schauspieler erhalten. -Unter den Schauspielern wird geklagt, daß, wenn man dem Agenten nicht schon im Vorhinein so und so viel Geld gibt, man überhaupt kein Engagement von ihm erhält. Die 5 Percent werden vom Director dem Schauspieler abgezogen und dem Agenten geschickt.

Frau Schlesinger: Sie sagten, daß zweijähriger Unterricht für ein wirkliches Talent zu viel Zeit sei. Nun ist mir bekannt, daß viele Lehrer im Conservatorium eine Verlängerung der Unterrichtszeit auf drei Jahre anstreben? Exp. Niedt: Bei außerordentlich talentirten Schau­spielern ist ein Jahr genug, und ich halte drei Jahre für überflüssig.

Frau Schlesinger: Es werden doch auch im Conservatorium Rollen einstudirt? Exp. Niedt: Jawohl, aber erst im zweiten Jahr­gange, nach einer gewissen Vorbildung.

Frau Schlesinger: Im Conservatorium ist die Altersgrenze für Mädchen 16 Jahre, in Privatschulen dürfte es auch wohl vorkommen, daß Mädchen zwischen 14 und 15 Jahren aufgenommen werden? Experte Niedt: Das ist möglich, wird aber selten geschehen.

Frau Schlesinger: Wenn die Altersgrenze, wie Sie sagten, in den meisten Fällen 18 Jahre ist, was macht denn so ein Mädchen während der Zeit von ihrem 14. bis 18. Lebensjahre? Exp. Niedt: Was sie