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Witte lshöser: Gelten diese Ziffern auch von den Wiener Hof­theatern ? Exp. Niedt: Die Choristinnen an den Hoftheatern bekommen fl. 25 bis 60 monatlich. Da wird allerdings die Garderobe vom Theater selbst geliefert, fl. 25 ist gewöhnlich die Anfangsgage, und fl. 60 werden in der Regel bei 15jähriger Dienstzeit bezahlt. Auch gilt bei der Hofoper nicht als Princip, nur junge Damen zu engagiren, sondern da muß die Betreffende in der That singen können. Diese Choristinnen erhalten Pension: nach 10 Jahren ein Drittel, nach 20 Jahren die Hälfte des Gehaltes; nach 25, refpective 30 Jahren erhalten sie die ganze Pension. Ich weiß aber nicht, ob diese Zahlen ganz genau sind.

Herrdegen: Wie viel braucht etwa eine Tragödin an einer Provinz­bühne für Toilette und Costüme? Exp. Niedt: Das kommt auf die Ansprüche des Directors an. Glaubt der Direetor, durch Luxus einen ge­wissen Theil des Publicnms zu interessiren, so werden seine größeren Än- sprüche von den Schauspielerinnen erfüllt werden müssen. Wenn der Direetor aber human ist, wird sich eine fleißige Schauspielerin in der Art behelfen können, daß sie eben aus dem Fonds von Costümen, den ja Jede mitbringen muß, sich alle möglichen Toiletten herstellt. Freilich ist sie da ein recht arm­seliges Geschöpf. Sie muß die ganze Zeit, die sie von Proben und Vor­stellungen erübrigt, darauf verwenden, aus einem Costüme mehrere zu machen.

Herrdegen: Kann man nicht annehmen, daß der Ansangsgehalt einer Schauspielerin eigentlich nur einen Theil der Kosten bildet, welche sie für Toiletten verwenden muß? Exp. Niedt: Da braucht man kein Adam Riese zu sein, um das ausrechnen zu können.

Herrdegen: Es geht die Sage, daß bei sehr vielen Provinzbühnen man in außerordentlich unanständiger Art aus die Schauspielerinnen wirkt, so daß sie gewissermaßen gezwungen sind, unmoralisch zu werden. Exp. Niedt: Da kommt es sehr auf die Form an, in welcher das geschieht. Sagen wir z. B., ich bin Direetor in einer Stadt, in welcher Garnison ist, und habe die Absicht, das Publicum durch den Glanz meiner Leute heranzuziehen, namentlich das maßgebende Publicum, die Cavaliere und Lebemänner. Jeder sieht natürlich auf der Bühne wunderbare moderne Kleider lieber als altmodische. Bin ich nun ein gemeiner Kerl, so werde ich der betreffenden Schauspielerin einfach sagen:Such' Dir eine Würzen!" Wenn ich aber ein seiner Mann bin, so sage ich:Ich habe eine Rolle für Dich, die aber theure Toiletten erfordert. Nun habe ich eine Dame, welche dieselben besitzt; Tn wärst mir lieber, aber ich weiß nicht, ob Du auch die Toiletten haben kannst." Oft sind aber auch die Directoren gezwungen, so vorzugehen, und zwar in Folge der schlechten wirthschaftlichen Verhältnisse.

Herrdegen: Können Sie sagen, daß diese Manipulation bei den Provinzbühnen typisch ist? Exp. Niedt: Ich weiß nicht, ob das bei der Mehrzahl der Bühnen der Fall ist, weil ich niemals an einer dieser Provinzbühnen gewesen bin und zu meiner Zeit die Verhältnisse ganz anders waren.

Frau Schlesinger: Ost machen sich doch die Recensenten darüber lustig, daß die Toiletten nicht entsprechend sind. Das dürfte auch einen ge­wissen Einfluß aus die Directoren üben. Exp. Niedt: Ich kann wohl nicht Recension recensiren; darüber kann man im Allgemeinen nicht urtheilen.

Expertin Nr. 167 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich habe im Alter von 12 Jahren das erste Mal bei einer Kinderkomödie in Wien ge­spielt und war dann drei Jahre im Conservatorium. Ich hatte dort einen Freiplatz. Nach den drei Jahren fand ich gleich ein Engagement in Salz­burg beim Chor mit fl. 30 Ansangsgage. Das Engagement wurde durch eine hiesige Agentur vermittelt. Ich mußte dem Agenten fünf Percent für das erste Jahr und drei Percent in den weiteren Jahren bezahlen. Von den fl. 30 mußte ich auch Toiletten und Costüme bestreiten. Ich konnte das

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