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thun, weil meine Schwester, die eine Schauspielerin in besserer Stellung ist, mich in jeder Weise unterstützte. Spielhonorare bekam ich keine: die anderen Choristinnen, welche dort waren, hatten Honorare bis zu fl. 50. Jene, die etwa 30 Jahre alt sind, werden in jeder Beziehung zurückgesetzt. Sie werden besonders von den Regisseuren grob behandelt, daß sie genöthigt sind, entweder wegzugehen oder sich alles Mögliche bieten zu lassen. Ich kenne die meisten Agenturen in Wien. Ueber die Behandlung der Damen dortselbst will ich lieber nicht sprechen! Wenn die jungen Damen dorthin kommen, so werden sie zu allem Möglichen verleitet und es wird von allem Möglichen mit ihnen gesprochen.

Vorsitzender: Sie werden wohl aufmerksam darauf gemacht, daß es mit dem Honorar allein nicht geht? Exp. Nr. 167: Direet, durch Worte allein nicht, aber doch in einer Form, daß man es daraus ersehen kann. Ich persönlich kann mich nicht beklagen, aber von den Anderen kann ich das nicht sagen. Einige sind anständig, die Anderen das Gegentheil: entweder weil sie durch Verhältnisse dazu gezwungen oder weil sie leichtsinnig sind oder auch einfach aus Nachahmung, weil fie es ja bei den Anderen sehen. Ist Eine aber anständig, so begnügt man sich mit den Percenten allein.

Vorsitzender: Also ist das nicht die Regel. Wie ist es mit Ihrer Beschäftigung? Exp. Nr. 167: Manchmal habe ich wochenlang nichts zu thun, dann wieder verlangt man von uns, daß wir von o bis 3 Uhr Probe halten und Abends bei der Vorstellung mitwirken, und dann nach der Vorstellung noch eine Nachtprobe mitmachen, so daß ich mir manchmal von meiner Gage um ' ,4 Uhr Früh einen Einspänner znm Nachhansefahren nehmen muß. Es kommt etwa viermal in der Saison vor, daß Nachtproben sind, dafür sind oft 3 bis 14 Tage gar keine Proben. In der Provinz ist es anders. Dort sind täglich kurze Proben von o, '>.10 bis 12 oder 1 Uhr Mittags. Abends ist Vorstellung von 7 bis ' 2 10 oder 10 Uhr. Da muß man in der Nacht nach der Vorstellung stndiren. Wenn an einer Provinz­bühne das Schauspiel stark enltivirt wird, so hat man drei-, viermal in der Woche nichts zu thun. Die Kreise, aus welchen meine Colleginnen stammen, find sehr verschieden. Manche sind aus sehr guten Kreisen, andere wieder äußerst ungebildete Mädchen; der Letzteren sind aber sehr wenig. Meine Colleginnen haben meist in Privatschulen oder bei Professoren oder im Con- servatorinm gelernt.

W i t te l s h ö f e r: In welchem Alter sind Sie in's Conservatorium gekommen? Exp. dir. 167: Mit 14 Jahren, da habe ich bis zu meinem siebzehnten Jahre gelernt.

W i t t el s h ö f er : Wie lange dauert die Saison? Exp. Nr. 167: Im Winter meist vom 1.5. September bis zum Pfingstsonntag und im Sommer vom 15. Juni bis Ende August.

W i t t e l s h öf er: Ist es die Regel, daß die Schauspieler, die ein Winter-Engagement haben, auch im Sommer engagirt werden? Expertin Nr. 167: Das ist nur bei der Minderzahl der Fall.

W i t t e l s h ö f e r: Wird das Engagement also für eine Saison ab­geschlossen? Exp. Nr. 167: Ja, und zwar bei meinem jetzigen Director auch, trotzdem er im Sommer und im Winter spielt. Er gibt zwei Verträge, einen für den Winter, den anderen für den Sommer. Es ist nämlich im Vertrage bestimmt, daß er die Reise zahlen muß, wenn die Truppe während des Contracts in eine andere Stadt geht. Wenn nun das Engage­ment blos bis Pfingstsonntag dauert und das neue Engagement erst am 16. Juni beginnt, so braucht er seiner Truppe die Reise in das Bad, wo er im Sommer spielt, nicht zu bezahlen. Der Director hat auch das Recht, uns zwei Monate vor Schluß der Wintersaisvu ohne Gehalt zu entlassen; auch während des ersten Monats des Engagements hat er das Recht, ohne Angabe von Gründen nach vierzehntägiger Kündigung zu entlassen. Aber