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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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bezahlen zu können, als Statistin dienen. Statt als erste naive Liebhaberin, ist sie als Statistin auf der Bühne gestanden, hat sich die Reife tour und retour bezahlt und hat für 14 Tage st. 30 Gage bekommen und das Engage­ment in Prag verloren.

Herrdegen: Müssen auch die Männer die Costüme beistellen? Exp. Nr. 167 : Nein.

Herrdegen: Wissen Sie, ob es möglich ist, daß einzelne Chor­damen neben ihrer künstlerischen Beschäftigung noch anderen Geschäften obliegen, daß sie z. B. unterrichten oder sonst einen Nebenerwerb betreiben? Exp. Nr. 167: Außer mit Stickerei oder dergleichen können sie sich nichts verdienen.

Herrdegen: Kann sie eine Beschäftigung übernehmen, zu welcher bestimmte Stunden verfügbar sein müssen? Exp. Nr. 167: Nein.

Frau Schlesinger: Möchten Sie uns vielleicht sagen, was Sie in einem Jahr an Toiletten brauchen? Exp. Nr. 167: Das richtet sich nach den Stücken. In der Provinz kann man beiläufig sagen, daß jede Dame durchschnittlich im Monat st. 10 braucht, größere Schauspielerinnen sl. 40 bis 50.

Frau S ch l es i n g er : Das kann aber doch nicht von der Gage bestritten werden? Exp. Nr. 167: Sie müssen sich behelfen. Sie müssen sich Vieles selbst machen, oder sie bekommen Zuschuß von zu Hause.

Dr. Ranchberg: Die Costüme, die der Chor trägt, sind meist gleichartig. Exp. Nr. 167: O nein, man braucht immer Costüme, weil die Schauspielerinnen mit der Mode gehen müssen.

Dr. Rauchberg: Aber bei demselben Stück trügt oft der ganze Chor gleichartige Toiletten. Veranlaßt die einzelne Chordame selbst die Anfertigung? Exp. Nr. 167: Ja. Es wird eine Figurine gegeben, und man kann es sich selbst machen oder bei einer bestimmten Schneiderin machen lassen.

Vorsitzender: Kann eine Schauspielerin, wenn sie contract- brüchig wird, leicht ein Engagement finden? Exp. Nr. 167: In Deutsch­land nicht; denn wenn dort eine contractbrüchig wird, darf sie zehn Jahre lang von dem am Cartell Betheiligten nicht engagirt werden, außer sie geht unter einem anderen Namen. In Oesterreich ist das nicht.

Exp. Niedt: O doch, es kommt darauf an, ob die Bühne dem Cartellverband angehört, und es gibt österreichische Bühnen, welche selbst dem deutschen Bühnenvereine angehören. Die Direetoren sind da ver­pflichtet, einen contractbrüchigen Schauspieler, so lange bis er durch den betreffenden Director, dem der Vertrag gebrochen wurde, rehabilitirt ist, nicht wieder zu engagiren.

Vorsitzender: Wie ist die Behandlung durch Direetoren und deren Vertreter? Exp. Nr. 167: Unser Director ist einmal liebens­würdig und einmal wieder sehr unliebenswürdig. Ich will mit meinem jetzigen Director nicht wieder abschließen, trotzdem er uns für das nächste Jahr einen Antrag gemacht hat, denn er behandelt die Damen vom Chor unter der Kanone; deshalb sind sehr viele von seinem Theater weg­gegangen.

Vorsitzender: Wie ist die Lebenshaltung der Damen, sind sie in der Lage, sich ordentlich zu ernähren? Exp. Nr. 167: Der Berns ist so ziemlich aufreibend, von der Gage kann man nicht so leben wie es nöthig wäre. Wer von der Gage lebt und nichts Anderes thut, als dem Berns nach­zukommen, lebt schlecht. Es gibt Damen bei uns, die mit geringer Gage engagirt sind, aber sehr gut leben. Ich weiß nicht, sind sie vorn Haus aus besser ge­stellt oder wie sie das sonst machen. Ich kümmere mich darum nicht. Ich arbeite zu Hause nebstbei mit meiner Mutter; von der Gage allein könnte ich nicht leben, die Auslagen sind zu groß.