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Frau Schlesinger: Was arbeiten Sie denn zu Hause? Ex­pertin Nr. 167: Stickereien und andere Handarbeiten, in der Zeit, wo ich nichts zu thun habe.

Frau Schlesinger : Sie sind aber auch im Theater viel beschäftigt ? Exp. Nr. 167: Ja, es gibt Wochen, wo man so viel zu thun hat, daß man zu Hause nicht arbeiten kann.

(Wittelshöfer übernimmt den Vorsitz.)

Expertin Nr. 168 (gibt über Befragen des Vorsitzenden an): Ich bin am selben Theater beschäftigt, wie Expertin Nr. 167. Anfangs wollte ich Clavierlehrerin werden; dazu hatte ich keine Geduld, und so entschloß ich mich, Sängerin zu werden. Seit meinem neunten Jahre spiele ich Clavier. Ein halbes Jahr bevor ich den Contract mit dem Theater schloß, habe ich bei einem bekannten Professor singen gelernt, ein Jahr vorher bei einer Gesanglehrerin. Ich war schon in verschiedenen Theatern beschäftigt, in sämmtlichen Theatern Wiens, außer Burg und Oper. Man hat sich aber daran gestoßen, daß ich Anfängerin bin, und hat nicht gefragt, ob ich etwas leisten kann. Wie ich nun zu den: Director des Theaters gekommen bin, in dem ich jetzt bin, hat er gesagt:Ich nehm' Dich, mit fl. 10 Gag'," und ich war froh, überhaupt unterzukommen. Ich bin bei meinen Eltern, sonst wäre das unmöglich.

Vorsitzender: Haben Sie Schanspielunterricht genossen? Ex­pertin Nr. 168: Nein.

Vorsitzender: Kommt es häufig vor, daß die Damen keinen Schauspielunterricht genossen haben? Exp. Nr. 168: Ich wollte wäh­rend der Saison weiterstudiren, aber das ist unmöglich, wegen der vielen Proben.

Vorsitzender: Wie lange sind Sie beim Theater? Expertin Nr. 168: Die erste Saison.

Vorsitzender: Sie sind auch verpflichtet, Ihre ganze Garderobe mit dem Betrage von fl. 10 zu bestreiten? Exp. Nr. 168: Ja.

Dr. Schiff: Ihr Vertrag lautet anders als der, welcher früher vorgelegt wurde. Wissen Sie, ob solche Contracte, wie er jener ersten Expertin vorgelegt wurde, auch jetzt abgeschlossen werden? Exp. Nr. 168: Mein Contract gehört zu jenen, welche für das Jahr 1806>97 ausgegeben worden find; die sind besser.

Dr. Schiff: Es sind einige horrende Sachen nicht darin, aber immerhin noch genug. So sind Conventionalstrase von Kr. 600 für alle möglichen Fälle, und diese Conventionalstrase tritt zum Beispiel ein, wenn das Mitglied zum festgesetzten Termin oder nach Ablanf eines Urlaubes sich nicht pünktlich einstellt. Da heißt es nun:Für eine etwaige unabwendbare Verhinderung ist der klare Beweis stets innerhalb dreier Tage beizubringen." Ferner:Die Zahlung der Conventionalstrase hebt die Verpflichtung des Mitgliedes gegen die Bühnenleitung nicht auf. Der Contrahent begibt sich jeder wie immer gearteten Einwendung gegen die Höhe der Conventional- strafe, verzichtet insbesondere auf die im bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehene Ermäßigung der Strafe durch den Richter."

Vorsitzender: Besteht ein Verein, dem die Damen angehören? Exp. Niedt: Darf ich darauf antworten? Wir haben an der Spitze Adolf v. Sonnenthal für die österreichischen Bühnenmitglieder einen Verein gegründet, denVerein österreichischer Bühnenangehöriger", um alle diese Mißstände so viel als möglich auszurotten, nicht allein zum Vortheile der Bühnenmitglieder, sondern auch zum Nutzen der Directoren. Es ist kein Verein, der gegen die Directoren Front macht, er will all dem Unangenehmen und Widrigen in unseren wirthschaftlichen Verhältnissen begegnen. Der Verein besteht erst seit fünf Vierteljahren, hat aber Bedeutendes geleistet und sich in erster Linie zur Aufgabe gestellt, diese unglaublichen Contracte, und