Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
632
Einzelbild herunterladen

632

zwar durch Hilfe des Parlaments, aus der Welt zu schaffen. Es hat sich ein Comite gebildet, das sich der Sache annehmen wird, und wir hoffen damit zum Ziele zu gelangen. Diesem Vereine gehören alle Branchen des Theaters au, auch das Chorpersonal.

Vorsitzender: Besteht zwischen Schauspieler und Chorpersonal eine soeiale Scheidung? Exp. Niedt: Gewiß, die Leute vom Chor­personal möchten so schnell wie möglich aus dem Chor heraus, und die heraußeu sind, glauben etwas Besseres zu sein als das Chorpersonal. Und das bildet im gesellschaftlichem Verkehr eine gewisse Schranke.

Vorsitzender (zur Exp. Nr. 167): Was wissen Sie hierüber? Be­steht zwischen Schauspielerinnen und dem Chorpersonal ein Unterschied? Exp. Nr. 167: Ein bedeutender.

Vorsitzender: Ein Gegensatz? Exp. Nr. 167: Die Damen bilden sich ein, viel mehr zu sein, und vergessen, daß die größten Künst­lerinnen einmal auch im Chor waren. Die Schläger, die heute eine sehr große Dame ist, war im Chor und so auch verschiedene Andere.

Vorsitzender: Kommt es häufig vor, daß sich Schauspielerinnen aus dem Chor recrutiren? Exp. Nr. 167: Gewiß, sehr oft. Jm Wiedener Theater ist ein Fräulein, welches eine sehr große Stellung hat und vor fünf Jahren im Chor war.

Vorsitzender: Haben Sie im Chor Gelegenheit, zu zeigen, daß Sie zur Solistin geeignet sind? Exp. Nr. 167 - Ja, das ist aber ver­schieden,, die Eine hat das Material und hat die Mittel nicht, die Andere hätte die Mittel und hat das Material nicht, und die Dritten haben das Unglück, daß sie von der Tirectiou oder Regie unterdrückt werden.

Dr. Riedl: Was verstehen Sie unter Material und Mittel? Exp. Nr. 167: Stimme oder Talent.

Dr. v. Fürth: Wir haben aus dem Contract gehört, daß im Falle langer Erkrankung die Gage eingestellt wird. Ist in Schauspieler- und Chöristenkreisen bereits in weiterem Maße eine Krankenversicherung üblich?

Exp. Niedt: Die Leute müssen alle gesetzlich gegen Krankheit ver­sichert sein.

Dr. v. Fürth: Wird der Versicherungsbeitrag von der Gage in Abzug gebracht? Exp. Nr. 167: Theilweise, wie es das Gesetz sagt.

Dr. Riedl: Wie ist der Verkehr der Schauspielerinnen mit ihren männlichen Collegen? Exp. Nr. 167: Das ist sehr verschieden; die Einen streiten, die Anderen sind sehr gut. Dann ist es wieder umgekehrt, dann streiten die, die früher gut waren.

Dr. Riedl: Haben Sie unter bestimmten Mißständen zn leiden? Exp. Nr. 157: Das nicht.

Dr. Riedl: Wie sind die Garderoberäume? Exp. Nr. 167: Die sind sehr primitiv. Die Herren Pflegen durch die Garderobe der Damen zu gehen, und wenn man etwas sagt, so kann man entlassen werden.

Dr. Riedl: Gibt es also keine getrennten Garderoberäume für beide Geschlechter? Exp. Nr. 167: Eigentlich sind Herren und Damen- garderoben getrennt. Aber wenn viele Statisten sind oder die Bühneneinrich- tnng es erfordert, gehen die Herren durch die Damengarderobe.

Dr. Schwiedland: Werden die Damen vom Chor von Direction und Regie geduzt? Sie haben ja früher ein Gespräch citirt, in welchem Sie geduzt worden sind? Exp. Nr. 167: S ja, das kommt vor.

Dr. Schwiedland: Kommt es nicht vor, daß Schauspielerinnen Beträge zahlen, um gewisse Rollen zu bekommen, und was für Beträge sind das ?

Exp. Nr. 167: Ich habe vor einigen Jahren in einer kleineren Stadt Niederösterreichs gehört und gesehen, daß eine Dame fl. 50 bezahlte, damit sie an einem Abende die Anna-Rolle imPfarrer von Kirchfeld" spiele.

Dr. Schwiedland: Werden Sie aus der Bühne durch Besuche