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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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35. Sitzung, Dienstag, 20. Ngril 1896.

Vorsitzender: Dr. Hämisch.

Beginn 7 Uhr 30 Minuten Abends.

Vorsitzender: Wir beginnen mit der Vernehmung der Herren Otto Snppancic und Richter, Procuristen der Firma V. Snppaneic, Wäsche­fabrikanten.

Experte Richter (über Befragen des Vorsitzenden): Ich erlaube mir den Herren zunächst eine ganz willkürlich ausgewählte Wochenliste der Löhne vorzulegen. Es ist dies die 51. Wochenliste vom 16. bis 21. De­cember. In dieser Woche hatten wir im Ganzen im Hause 332 Arbeiter und Arbeiterinnen, darunter 42 männliche, 273 weibliche Arbeiter und 17 Lehrmädchen. Diese zusammen haben sl. 290.T75 Lohn bekommen. Aus der Liste ergibt sich als Mindestlohn bei zehnstündiger Schicht und sechs- tägiger Arbeitszeit st. 5. In den einzelnen Branchen sind die Löhne nach der Leistungsfähigkeit verschieden. In der Knopflochnäherei haben wir als Minimum st. 6, als Maximum fl. 12

Kragennäherei und Vorrichterei 5, 9

Hemdennäherei 5, 8

Hemden-Knopflochnäherei . . 6, 8

Ich bemerke, daß der Lohn bei uns größtentheils Aceordlohn ist. Nur bei den Sortirerinnen ist fixer Wochenlohn. Da haben die Leute, weil sie manch­mal Ueberstunden machen, fl. 5 bis 13. Wenn sie über zehn Stunden arbeiten, so bekommen sie 12 bis 20 kr. pro Stunde. Zwischen dem 16. und 20. December haben die Sortirerinnen bei uns 66, Tage gearbeitet und bei dieser Zeit im Minimum fl. 5, im Maximum fl. 13 bekommen. Bei den Pntzerinnen stellt sich der Lohn aus fl. 5 bis 13'/-, in der Kragenbüglerei bei 6'/, Tagen auf fl. 9'/, bis 16, bei der Hemdenbüglerei auf fl. 5'/, bis 13. In der Stempelei beschäftigen wir 18 weibliche Arbeiter und 7 Lehrmädchen. Die letzteren bekommen bei sechstägiger Arbeitszeit fl. Oh, und die voll Ent­lohnten fl. 11. Die Arbeitszeit ist bei uns von 7 bis 12 und von 1 bis 6 Uhr. In der Wäscherei, wo im Wochenlohn gearbeitet wird, haben wir zwei männliche und elf weibliche Arbeiter. Die Männer haben fl. 18 bis 22, die Frauen fl. 8'/, bis 12'/,. Hilfsarbeiter werden bei uns nur in den Magazinen beschäftigt und erhalten die männlichen fl. 8, die weiblichen fl. 6 für sechstägige Arbeitszeit. In der Miedernäherei haben wir 20 weibliche Arbeiter und zwei Lehrmädchen. Die Arbeiterinnen haben einen Lohn von fl. 5 bis 9.

Vorsitzender: Beziehen sich die Ueberstunden, welche Sie genannt haben, ausschließlich auf Wochenlöhne? Exp. Richter: Ja. (Ueber Be­fragen des Vorsitzenden.) Wir haben in der 51. Woche 204 Leute außer Haus beschäftigt. Unter diesen waren 89 Maschinnäherinnen mit einem Lohne von fl. 5 bis 7, ferner Miedernäherinnen mit fl. 5 bis 6, Riegerl- näherinnen das ist ein verhältnißmüßig sehr geringer Verdienst mit einem ganz minimalen Lohn: einige hatten nur fl. 1'50 wöchentlich, manche fl. 5'/, u. s. w. Es sind das lauter Leute, die das nur als Nebenverdienst neben ihren häuslichen Beschäftigungen verrichten. Das Riegerlnähen besteht in dem Vernähen der Knopflöcher. Es ist das eine sehr leichte Arbeit, die mit der Hand gemacht wird.

Dr. Schwiedland: Ist in dieser Woche ungewöhnlich lang^ ge­arbeitet worden? Exp. Richter: Nein. Nur in der Ausstreiferei wurden sechs Tage und zwei Stunden gearbeitet, sonst überall zehn Stunden.