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Expertin Nr. 175: Ich bin Fransenknüpferin. Ob das zur Posamenterie gehört oder nicht, weiß ich nicht. Wir sind der Genossenschaft der Posa- mentirer zugetheilt. Die Streifen bekomme ich am Quai und auch die nöthige Seide dazu, und das wird dann nach dem Muster verarbeitet. Ich arbeite zu Hause und zahle auch Steuer nach dem Satz von fl. lO'/r. Ich arbeite für drei Herren. Das sind größere und kleinere Geschäfte. Ich selbst beschäftige drei bis vier Personen. Ich war seit dem Jahre 1877Franserin, dann bin ich Magazineurin geworden. Ich habe dann geheiratet. Mein Mann ist aber krank geworden, und nun muß ich wieder arbeiten.

Bor sitzender: Wie groß ist die Zahl der Arbeiterinnen in Ihrer Branche?Exp. Nr. 175: In manchen Geschäften sehr groß. Diejenigen, die keine Steuer zahlen, können billiger arbeiten und bekommen daher auch mehr Arbeit. Es zahlen circa 30 Steuer und 200 keine.

Vorsitzender: Wie können die das verheimlichen ? Exp. Nr. 175 : Ich habe selbst schon die Anzeige gemacht, aber es nützt nichts.

Vorsitzender: Sind Sie in der Genossenschasts-Krankencasse? Exp. Nr. 175: Ja.

Vorsitzender: Haben Sie das ganze Jahr gleichmäßig Arbeit? Exp. Nr. 175: Ost zwei, drei Tage nichts, dann wieder sehr viel, daß ich die Nacht zu Hilfe nehmen muß.

Vorsitzender: Sie sind also abhängig von den Geschäften, von denen Sie das Material bekommen? Exp. Nr. 175: Ja. Dorthin muß ich auch liefern. Damit verliert man viel Zeit.

Vorsitzender: Wie oft liefern Sie in der Woche? Expertin Nr. 175: In der Saison alle Tage. In der ruhigeren Zeit zwei bis dreimal.

Vorsitzender: Haben Sie weit zu gehen? Exp. Nr. 175: Von Mariahilf bis auf den Quai.

Vorsitzender: Müssen Sie auch warten? Exp. Nr. 175: Wenn Jemand vor mir ist.

Vorsitzender: Wenn Sie täglich liefern, wird ja viel Zeit ver­gehen? Exp. Nr. 175: Oft sind sechs, sieben Frauen vor mir.

Vorsitzender: Ist die Waare schwer? Exp. Nr. 175: Ja.

Vorsitzender: Wird Ihre Arbeit nur von Frauen gemacht? Exp. Nr. 175: Ja.

Vorsitzender: Ist Ihnen bekannt, ob auch Kinder beschäftigt werden? Exp. Nr. 175: Das kommt bei solchen vor, die keine Steuer zahlen. Die trauen sich nicht zu annonciren und kriegen auch nicht die richtigen Leute. Es sind auch schulpflichtige Kinder darunter.

Vorsitzender: Was geschieht, wenn Sie mit der Steuer im Rück­stand bleiben? Exp. Nr. 175: Ich habe schon zwei Executionsbolletten zu Hause. Die mindere Steuer möchte ich gern zahlen, ich komme aber aus fl. 36. Ich habe früher einen Weinschank gehabt, den habe ich um sl. 1600 verkauft, und nun muß ich mein ganzes Geld zusetzen.

Vorsitzender: Kommt es auch vor, daß Angehörige der sogenannten besseren Stände diese Arbeit machen? Exp. Nr. 175: Nein. Die Arbeit erfordert eine besondere Geschicklichkeit. Lehrmädchen gibt es aber nicht.

Vorsitzender: Wie macht es also ein Mädchen, wenn sie das erlernen will? Exp. Nr. 175 : Sie geht zuerst zur leichteren Fransen- arbeit, und dann avancirt sie.

Vorsitzender: Wie werden die Mädchen entlohnt? Expertin Nr. 175: Das erste Tuch, das sie fertig macht, bekommt sie gleich bezahlt.

Vorsitzender: Wie bekommen die Leute Arbeit? Expertin Nr. 175: Durch Nachfrage.

Vorsitzender: Wie lange arbeiten Sie? Exp. Nr. 175: Von 7 Uhr Früh bis '.24. Dann muß ich die Tücher zusammenlegen und gehe