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Vorsitzender: Sind Sie in einem Krankenverein? Expertin Nr. 175: Nein, nur meine Leute.

Vorsitzender: Auch bei der Unfallversicherung nicht? Expertin Nr. 175: Nein.

Vorsitzender: Nach dem, was Sie erzählt haben, sind Sie in keiner günstigen Lage. Sie können sich also nicht viel Erholung gönnen? ExP. Nr. 175: Nein.

Vorsitzender: Was ist Ihr Mann? Exp. Nr. 175: Er war Appreteur. Er hat von der Krankencasse durch 20 Wochen Unterstützung be­kommen.

Frau Schlesinger: Hilft Ihnen Ihre Tochter bei der Arbeit? Exp. Nr. 175: Sehr selten.

Vorsitzender: Sind in manchen Geschäften die Preise besser? Exp. Nr. 175: Ja.

Vorsitzender: Wir gehen jetzt zu den Mod istinnen über.

Expertin Nr. 176: Ich bin seit sechs Jähren inclnsive zwei Jahre Lehrzeit Modistin. Jetzt bin ich in einem kleinen Geschäft, früher war ich in einem sehr großen. Dort waren wir zwölf Personen, jetzt sind wir vier. Es sind da nur Frauen beschäftigt. Arbeit wird auch mit nach Hause genommen. Die Arbeiterinnen kommen auch aus sehr guten Häusern, aber auch aus Arbeiterkreisen. Die Arbeit gehört zu den feineren, es ist dazu Intelligenz und Geschmack erforderlich. Die Lehrmädchen müssen zwei Jahre lernen. Sie werden aufgedungen.

Vorsitzender: Bekommen sie etwas oder müssen sie zahlen? Exp. Nr. 176: Das hängt von dem Uebereinkommen ab. Im ersten Jahre habe ich nicht gezahlt, im zweiten Jahre fl. 5.

Vorsitzender: Haben Sie im ersten Jahre erst angefangen zu lernen? Exp. Nr. 176: Im ersten Jahre lernt man die Commissionen. Man muß einkaufen gehen. Man muß die Qualität der Waare kennen lernen rc. Zur Expedition haben wir einen Diener gehabt.

Vorsitzender: Wie ist die Arbeitszeit? Exp. Nr. 176: Von 8 bis 12 und von 2 bis 7 Uhr. In der Saison fängt man auch schon um 7 Uhr an und hört erst um 8 oder 9 Uhr auf. Manchmal wird auch die ganze Nacht durchgearbeitet. An Sonntagen wird in der Saison immer ge­arbeitet, auch an Feiertagen. Die Arbeit ist nicht immer gleich. Kündigung ist vierzehntägig.

Vorsitzender: Was verdienen Sie? Exp. Nr. 176: Ich habe fl. 35 pro Monat. Es wird immer Monatslohn gerechnet. Ueberstunden und die Nachtarbeit werden doppelt gezahlt. Ausgaben für Rohstoffe haben wir nicht zu machen. Ein Zwang, Arbeit mit nach Hause zu nehmen, wird nicht ausgeübt. Abzüge und Strafen kommen nicht vor. Eine Arbeitsordnung gibt es bei uns nicht.

Vorsitzender: Kommt es vor, daß im Gewerbe Beschäftigte in der Wohnung des Unternehmers schlafen? Exp. Nr. 176: Sehr selten, in ganz kleinen Geschäften.

. Vor fitzender: Was haben Sie für Vorgesetzte? Exp. Nr. 176: Jetzt keine. Ich bin im Geschäft die Erste.

Vorsitzender: Ist es bei Ihnen gebräuchlich, daß an Vorgesetzte Geschenke gegeben werden? Exp. Nr. 176: Das hängt von dem'freien Willen der Mädchen ab. Es ist nicht üblich, kommt aber hie und da vor. Ich selbst habe es gethan.

Vorsitzender: Was sind das für Geschenke? Exp. Nr. 176: Kleine Handarbeiten, Geldgeschenke nicht.

Vorsitzender: Wie ist die Behandlung von Seite der Vorgesetzten ? Exp. Nr. 176: Ich kann aus eigener Erfahrung nur das Beste sagen. Ich habe es immer sehr gut gehabt.