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Entwickelung überragt das Weib den Mann und ist in ein­zelnen wunderbaren Gestalten, welche uns Wahrheit und Dichtung erhalten haben, oft der einzige und mächtige Mit­telpunkt des ganzen Volkes. Die Bildung, wenn wir bei Betrachtung der ersten Jahrhunderte der germanischen Geschichte schon so sprechen dürfen, die Bildung erhebt das Weib oder stellt es in der Achtung und Bedeutung, die es dadurch erhält, dem Manne wenigstens gleich. Die zweite Eigen­schaft aber ist die Arbeit, welche das Weib auszeichnet. Das Weib des Germanen ist in der Gemeinschaft des Volkes und in seinem Verkehr die wirtschaftliche Kraft desselben. Während der Mann in die Schlacht zieht, auf die wilde Jagd geht, dem Spiel und Trunk sich hingibt, sorgt und arbeitet das Weib für das häusliche Wohl und jede wirtschaftliche Arbeit. Das Weib füllt vollständig einen großen Lebenskreis des Volkes aus, und eben weil sie es thut, und sie allein, darum ist sie gleich dem Manne, wenn sie auch nicht auf der Volksversammlung erscheint, und über Krieg und Frieden entscheidet. Aber sie zieht mit in den Krieg, feuert den Mann zu Muth und Ausdauer an, ja sie stürzt sich mit in die Schlacht, drängt die Fliehenden zurück und stellt sich dem Feind entgegen, wenn er in das Lager dringt. So spricht Tazitus, so beschreibt Plutarch die furchtbare Schlacht der Deutschen gegen Marius auf den Feldern von Aix im Jahre 102 v. Chr. Aber sie meinen blos:Das Volk der Deutschen ist selbst in seinen Weibern ein kriegstüchtiges," während das deutsche Weib, wie es die Vertretung des wirtschaftlichen Glückes des Volkes ist, auch das Bewußtsein davon hat und auf dem Schlachtfeld es zu vertheidigen wagt. Und dieser Charakterzug kennzeichnet die Stellung des Weibes bis tief ins Mittelalter.