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die Sittlichkeit zu erhalten, huldigt. Es ist dies darum allein, weil das Weib frei ist in der Entwickelung seiner wirtschaftlichen Kräfte und darum unabhängig. Jeder Beruf steht dem Weibe offen, und jene Wirkungskreise, welche zumeist den weiblichen Kräften entsprechen, werden gar nicht von Männern ausgebeutet. Die Arbeit ist dem freien Volke ein Glück und eine Ehre, und darum nährt die Erziehung schon die Begierde zu arbeiten, und die staatliche Gemein­schaft scheidet nicht das weibliche Geschlecht aus von dem Recht auf alle öffentlichen Schulen und Bildungsanstalten. Und das ist die Macht und Würde des amerikanischen Weibes. Weder Ehre noch Reichthum trennt darin das Geschlecht. Nach Pensylvanien in die großen Baum­wollspinnereien wandern Mädchen aus achtbaren und wohlhabenden Häusern, arbeiten dort einige Jahre und kehren mit einem runden Sümmchen heim, es dem Haus­halt oder dem Ehestände bietend. Der gesammte Lehrer­stand Amerikas wird zu vier Fünftel aus dem weiblichen Geschlecht ergänzt. Mühevoll ist diese Laufbahn, aber so einsam oft das Weib in ihr stehen mag, ferne dem Eltern- hause und auf sich angewiesen die Sitte hat darunter nicht gelitten, ja im Gegentheil, diese Arbeit ist die Quelle der gerühmten Sittlichkeit Amerika's, die keine Prüderie, keine Heuchelei ist, wie die weibliche Sitte Europa's, sondern Wahrheit und Würde.

Und das allein ist das Entscheidende. Das Weib hat sowenig den ausschließlichen Beruf, die Sittlichkeit zu erhal­ten, als einst die Gesetze der Staaten oder die Keuschheits­kommissionen Maria Theresia's. Wäre dies der Fall, wäre es ein Gesetz der Natur, wie dies die Redensarten der Kurz­sichtigkeit so gerne meinen, dann wahrlich würde die Natur