49

das Weib nicht geschaffen haben, um selbst in seiner Würde und Ehrbarkeit doch die einzige Sehnsucht der menschlichen Lust und Begierde zu sein. Nein, meine Damen! Der Volks­mund urtheilt besser. Müssiggang, sagt er, ist aller Laster Anfang, Arbeit und Würde der Arbeit ist die Quelle von Sitte und Ehrbarkeit. Eröffnet doch, ihr Sittlichkeitsrichter, dem Weibe die Wege, wo es frei und unabhängig leben kann, wo es in seiner Arbeit Ehre und Achtung findet und mehr Sitte wird herrschen als jetzt und durch Jahr­hunderte, in denen man mit dem Sittlichkeitsgesetz das Weib zurückdrängte von dem Boden, auf dem seine Kräfte Frieden ernten können, Sicherheit und Wohlstand. Die Tugend ist Gewohnheit und die Arbeit wird diese Gewohnheit mit Liebe zum Gesetz des Lebens und der Würde erheben. Die Frauen der französischen Revolution hatten sehr recht, wenn sie vom König Arbeit forderten, um nicht elend zu sein. Und in dem Augenblicke, als diese Erkenntniß das Bewußtsein des weib­lichen Geschlechtes durchgingt, in diesem Augenblicke beginnt auch der Kampf und die Sorge, nicht um die Belebung, sondern um die Wiederbelebung der weiblichen Arbeits­kräfte.

Wir haben gesehen, wie die französische Revolution diese Frage zu beantworten strebte. Wir haben gesehen, daß in dem Sturm der Leidenschaften die richtige Erkenntniß, das weibliche Geschlecht durch Arbeit zu emanzipiren, wankte und endlich ganz zu Grunde ging. Eines aber hatte die Re­volution gelehrt und dieses Eine ging der Welt nicht mehr verloren. Das war die Erkenntniß, daß der Mensch nur durch Freiheit zur sittlichen Würde und wahren Entfaltung seiner Kräfte gelangen kann. Neben dem freien Manne aber muß bald das Weib eine andere Stellung einnehmen als in der

4