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Ich reise im Auftrage meiner alten mütterlichen Freundin, Frau v. Stein, und zwar in Deutschland. Die liebe menschenfreundliche Greisin, deren ganzes Leben dem Wohlthun gewidmet war, hat den Wunsch ihr Vermögen im Dienst der Nächstenliebe zu verwenden; sie hätte am liebsten selbst verschiedene Institute besucht, um sich für Stiftung des einen oder anderen, im gleichen Sinn, zu entscheiden. Frau von Stein ist zu alt und zu schwach um Kreuz- und Querwege zu machen, hier und da nach­zuforschen, sie schrieb mir:Reise für mich, siehe Dich um und wähle!" Die liebenswürdige alte Dame interessirt sich in ihrem Patriotismus auch für deutsche Geschichte ungemein, für das ganze einige Deutschland und wünschte, ich solle in meine Reiseberichte mit einflechten, was irgend dahin einschlagend mir entgegen trete und bedeutend scheine, auch Lebensbilder von interessanten Persönlichkeiten und Erzählungen, die mir zu Ohren kämen. Es war eine große Aufgabe, ich ging zur Erfüllung nicht ohne Scheu; aber mit wahrem Behagen.

Ich habe mich nun schon viel umgesehen; aber gewählt habe ich nicht. Ich denke, die Wahl muß der lieben Auftraggebern. überlasten bleiben, ich sehe mich nur um und berichte. Frau von Stein möchte mit ihren Mitteln das möglichst Beste leisten, in der Zeit des Zwiespaltes, in der wir leben, durchgreifend helfen; sie schrieb mir ihre Ansicht über die gegenwärtigen Zustände in kurzen Worten und wies zugleich auf den Weg zur Abhilfe hin, sie schrieb:Wir haben viel Licht, aber auch viel Schatten. Der Schatten entsteht, wenn das Licht einseitig kommt. Soll das Licht keinen Schatten werfen, dann muß es von Oben kommen."

Dieser Ausspruch hat mich sehr ergriffen. Bei den Fortschritten unserer Zeit ist es oft recht schwer Einseitigkeit zu vermeiden, wo Ueber­treibung ist, entsteht Schroffheit und Einseitigkeit, ein richtiger Weg muß in der Mitte liegen und der wird mit der Zeit wohl klar werden durch das Licht von Oben. Ich habe die Aufgabe bei meiner Reise den Aus­spruch meiner alten Freundin im Auge zu behalten.

Als ich meinen letzten Bericht schloß, war ich im Begriff in den Schwarzwald zu wandern und zwar in Gesellschaft eines jungen Ehepaa­res, nämlich des alten Herrn Schöne und seiner jungen Frau; aber der Mensch denkt, Gott lenkt: zur Vergnügungsreise braucht man gutes Wetter, der liebe Gott lenkte Wolken an den Himmel und da wurde unser Denken anders geleitet. Herr Schöne kam mit komischer Feierlichkeit und