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rechten Gebet gehört ein kindliches Vertrauen, das kindliche Vertrauen ge­winnt man leicht als Kind, hat man es als Kind gewonnen, so bleibt das Gebet kindlich bis zum höchsten Alter. Ein Mensch, der nicht kindlich beten kann, hat eine große Leere in seinem Herzen. Es sagte mir einmal ein älterer Herr: «Ich hatte eine brave Mutter, an die ich mit Hoch­achtung und Dank für ihre bewiesene Liebe und Nachsicht denke; aber sie hat eine große Schuld auf sich geladen mir gegenüber: sie hat versäumt mich als Kind beten zu lehren und ich habe es nie gelernt, mein Herz ist ungelenkig geworden.»"

Die fremde Dame schwieg, was sie dachte war nicht zu errathen, aber auf die mitgetheilte Thatsache war nichts zu entgegnen. Schwester Jo­hanna sprach weiter:Es giebt noch viele Befehle und Lehren, die man Kindern ertheilt bevor sie diese begreifen, z. B. man verlangt Gehorsam vom kleinsten Kinde. «Du sollst das thun!» sagt man, oder: «das darfst Du nicht thun!» Wäre es etwa gerathen erst dann Gehorsam zu fordern, wenn das Kind klug genug ist die Gründe zu verstehen, welche Eltern und Erzieher dazu veranlassen? Gewiß nicht, unbedingter Gehorsam muß frühzeitig gelehrt werden, wie das Gebet und das Bewußtsein, daß Gott jeden Augenblick des Kindes Handlungen sieht, ich bleibe dabei, Haupt­sache ist des Kindes Herz und es kann sich am besten entwickeln in reli­giöser Atmosphäre."

Ob dies Gespräch auf die durchreisende fremde Kleinkinderlehrerin irgend einen Einfluß geübt, hat Schwester Johanna nie erfahren; sie selbst ist aber um so fester auf ihren Grundsätzen stehen geblieben. Einen Nutzen hatte sie aber auch in anderer Hinsicht von dem Austausch der Gedanken, sie hütete sich die kleinen Kinder mit ihrem Unterricht zu weit zu treiben, sie zu überfüllen; wohl lehrte sie ihnen manchen Bibelspruch, jedoch nur solche, die ganz verständlich waren oder durch Erklären verständlich werden konnten; sie erzählte vom Heiland, aber nur Dinge, die ein Kind erfreuen können, sie stellte ihn nicht dar als den Erlöser, sondern nur als den liebenden Heiland, der für seine Liebe Gehorsam in der Gegenliebe fordert.

In der Atmosphäre, welche Johanna um die Herzen ihrer kleinen Schüler verbreitete, lebte die kleine Elfe beglückende Jahre.

Der Kohlenbrenner hatte einen Bruder, welcher etwas Vermögen be­saß, er war Maurer in einem größeren Dorfe in der Nähe und zuweilen sahen sich die Verwandten. Der Maurer hatte eine kränkliche Frau und