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eines Schullehrers zur Nachahmung begeisterte, jene Johanna, die klein Elschen, das Bauermädchen in der Kleinkinderschule unterrichtete. Ja, Luise Scheppler konnte wohl ein empfängliches Gemüth begeistern. Bevor ich Dir erzähle von Vater Oberlin und seiner Magd, will ich Dir aber sagen warum ich nicht in's Steinthal fahre. Ich fürchte unfreundlichen Empfang! Ja, denke nur, aus Furcht, daß man meiner herzlichen Empfin­dung bittere Aeußerungen entgegenstellen könnte, bleibe ich zurück. Be­trachte die Sache näher.

Die Bewohner des Elsaß sind Nachkommen der Alemannen. Elsaß und Lothringen waren Theile des deutschen Reiches. Vor 200 Jahren, als Deutschlands Kräfte durch den dreißigjährigen Krieg aufgerieben waren, nahmen die Franzosen Besitz von diesen Ländern. In den zwei Jahrhunderten unter französischer Herrschaft gewöhnten sich die Alemannen an den Gedanken Franzosen zu sein. Jetzt, da die Gerechtigkeit Got­tes, die in der Weltgeschichte sich zeigt, Elsaß und Lothringen durch den Krieg wieder zu deutschen Landestheilen gemacht hat, haben sich die zu Franzosen umgeformten Alemannen noch nicht an den neuen Wechsel gewöhnt, sie bilden sich ein, daß si? wirklich Franzosen sind, trotz der deutschen Namen, die sie haben, sie sind noch nicht zufrieden mit dem gerechten Umschwung der Dinge. Es wird sich mit der Zeit alles gut gestalten; aber für ein deutsches Herz, das die wiedergewonnenen Brüder freudig begrüßen möchte, ist es ein Schmerz jetzt Widerstreben zu finden. Du wirst begreifen, daß ich im Elsaß nicht weiter reisen will.

Ich möchte Dich aber nicht ganz stumm am Steinthal vorüberführen, Du sollst Einiges von Vater Oberlin und Luise Scheppler erfahren. Diese Gegend hatte einst schwer gelitten durch den dreißigjährigen Krieg, noch lange nach dem Friedensschlüsse zogen Räuberbanden umher und endlich trat auch die Pest auf, das Land zu entvölkern. Elend und Roheit waren die traurigen Folgen. Die Sitten der Leute wurden schlecht, zügellos machten sie nur das Recht der Gewalt geltend, dem Gesetz beugten sie sich nicht. Ihrem Bekenntniß nach waren sie Lutheraner, aber sie hatten keinen Begriff davon, was das bedeute; überhaupt von Christenthum und Nächstenliebe wußten sie nichts. Zu diesen Gemeinden kam 1750 der Pfarrer Stuber.

Die traurige Lage seiner Gemeinde ging ihm zu Herzen. Die Pre­digt allein konnte nicht helfen, gute Schulen mußten mit der Zeit die Sitten bessern; aber wie war es mit diesen bestellt? Als Pfarrer Stuber