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Eier mit ihren Flügeln. Das war nicht genug. Luise theilte ihr Brod mit der Henne, sie hatte selbst nur wenig, aber bei jeder Mahlzeit dachte sie an die herrenlose Glucke und als die Küchlein ausgekrochen waren, da hatte Luise eine ganze Familie zu ernähren und erbat sich manches Stücklein Brod von Frau Oberlin. Dies herzige Kind nahm Oberlin in sein Haus, um es väterlich in Gottesfurcht zu erziehen, mit fünfzehn Jahren trat sie als Magd in seinen Dienst. Luise nahm sich nun der kleinen Kinder an, wie früher der Küchlein, sie versammelte sie um sich, lehrte ihnen Bibelsprüche, die sie selbst von Vater Oberlin gelernt hatte, im Sommer beschäftigte sie sich mit den Kindern im Freien. Als der Winter kam, richtete Vater Oberlin der jungen Lehrerin und ihren Kleinen eine Scheune zur Schulstube ein. So entstand die erste Kleinkinderschule.

Luise Scheppler war mit ganzer Seele thätig in dem ihr überwiesenen Arbeitsfelde; aber sie lebte nicht einseitig diesem Berufe außerhalb der Familie Oberlin. Wenn nach den Schulstunden die Kinder entlasten waren, dann trat Luise wieder ihren Dienst als einfache Magd im Hause des Vater Oberlin an, sie wurde bald auch Erzieherin von Oberlin's sieben Kindern und seine Haushälterin, denn Oberlin verlor seine Frau. Durch den Geist der Ordnung und Sparsamkeit, mit welchem Luise dem Vater Oberlin die Haushaltungssorgen abnahm, machte sie es ihm möglich so viel Gutes in seiner Gemeinde zu wirken, was oft an's Wunderbare grenzte.

Oberlin arbeitete am zeitlichen und ewigen Wohle feiner Gemeinde. Er zerschlug mit dem Hammer des göttlichen Wortes die Eisrinde, die auf dem Herzen seiner Pfarrkinder lag; er lockerte den dürren unfrucht­baren Boden und streute himmlischen Samen hinein; er leitete die Blicke aufwärts und prägte den Glauben an die ewigen Wahrheiten des Evange- « liums, die Liebe, die von dem Urquell der ewigen Liebe ausgeht und wieder dahin führt, in Tausende von Herzen und leuchtete Allen als ein Vorbild der reinsten Tugenden vor. Auch für das zeitliche Wohl seiner Pflegebefohlenen war Oberlin besorgt, er gab ein strenges Beispiel des Fleißes: er pflügte das Feld mit ihnen, half Moräste austrocknen, Felsen sprengen, lehrte Gemüse bauen, Obstbäume pflanzen, Straßen verbessern; er sandte auf eigene Kosten junge Leute in die Städte, damit sie Hand­werke lernten, die im Steinthal unbekannt waren; er veranlaßte einige gleichgesinnte Fabrikherren dahin zu ziehen und mit ihm für das Wohl der Armen zu sorgen. Oberlin errichtete eine Apotheke in seinem Hause;