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die sie durch die Dichtung vonRothkappchen", denElfen", dem kleinen Däumling", derschönen Magelone", demBlaubart" empfangen haben.

Ludwig Tieck war am 31. Mai 1773 in Berlin geboren und in dieser.seiner Vaterstadt hat er 1852 seine irdische Laufbahn beschlossen. Er war das erstgeborene Kind, welchem ein Sohn und eine Tochter folgte; ersterer wurde als berühmter Bildhauer, die Schwester durch literarische Arbeiten bekannt.

Die Eltern Tieck's gehörten dem Handwerkerstände an, der Vater hatte ein Geschäft gewählt, welches sich in die Länge zieht, er war Seiler. Beide Eltern von vortrefflichem Charakter und von höherer Bildung, als die, welche in jener Zeit unter ihren Genossen zu finden war. Die sanfte Mutter lehrte dem geliebten Kinde die Buchstaben und in seinem vierten Lebensjahre konnte er fertig lesen und auch bald schreiben.

Bücher wußte er sich immer zu verschaffen, vorzugsweise fesselten ihn Komödien und ein Theater zu besuchen war das Ziel seiner heißen Wünsche, zu deren Erfüllung ihm aber alle Mittel fehlten. Oft stand er mit trübem Angesicht an der verschlossenen Pforte der ersehnten Herrlichkeiten; aber einem gutmüthigen Theaterdiener war der schöne Knabe lieb geworden, wohlwollend ließ er denselben oft in die Räume des Theaters schlüpfen, wo sich dem entzückten Kinde eine neue Welt aufthat. Still selig kehrte er heim, die erwachte Phantasie hatte ein reiches Feld gefunden, er schrieb kleine Geschichten, auch Reime nieder.

Doch den angeborenen kindlichen Sinn welcher Tieck bis in sein hohes Alter treu blieb entbehrte auch der Knabe Ludwig nicht. Für Alles, was das Erdenleben bietet, hatte er ein achtsames Auge. Von großem Interesse war ihm die Thierwelt, vorzugsweise die Tauben und > Katzen; den ersteren streute er jeden Morgen von seinem Frühstück einige Brocken zu und eine niedliche schwarze Katze wurde sein Liebling. Nun begab sich ein tragisches Ereigniß. In des Nachbars Hühnerherberge war ein Marder als Würgengel eingedrungen und der Mann, besorgt, das Raubthier könnte auch den Taubenschlag aufsuchen, stellte eine Falle dahin. Als nun die schwarze Katze in vielleicht nicht löblichen Absichten hinein schlich ihr flogen keine gebratenen Tauben in den Magen ereilte sie die Vergeltung: statt des Marders umschloß sie die Falle. Die unvergessene Begebenheit war wohl später Veranlassung zu nach­stehendem kleinen Gedicht: