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Mädchen, die buntfarbige Tapisseriearbeit ruht lässig im Schooße. Es ist eine schlanke Gestalt mit blassem Gesichtchen, die schönen blonden Flechten sind im einfachen Kranz um den Kopf geschlungen. Gertrud, so heißt das Mädchen, ist in schwarzen Kleidern, vor -einem halben Jahre ist ihre Mutter gestorben, hat ihr die Pflege der drei kleineren Geschwister aufs Herz gebunden und die Sorge für den fast verzweifelnden Gatten. Ach, mit allem Reichthum, mit aller treuen Pflege haben sie das Leben der geliebten Dahingeschiedenen nicht erhalten können! Es war des Herrn Wille, da muß der Mensch sich fügen lernen, so schwer es ihm wird.

Gertruds Vater war der Kaufmann Walter, er hatte sein großartiges Geschäft in der Stadt, die Privatwohnung hier. Seit ihm die Gattin gestorben war, gab er sich der geschäftlichen Thätigkeit noch mehr hin, die Arbeit sollte den Schmerz lindern. Das thut sie ja auch, wenn man festes Gottvertrauen dabei hat. Wie anders war doch Alles, als die Mutter noch lebte! Gertrud fühlte sich so ganz allein! Die Geschwister zur Schule, der Vater im Geschäft und sonst Niemand da, der ihr Ge­sellschaft leisten, mit ihr plaudern konnte! Suchend glitten die Blicke im Zimmer umher und hafteten auf dem schönen Flügel.Ach wenn ich singen könnte," seufzte Gertrud,aber wenn man traurig ist, bringt die Musik zum Weinen!" Sie nahm die Arbeit wieder auf, der Vater sollte sie zu Weihnachten haben. Welch' trauriger heiliger Abend, der erste ohne die Mutter! Doch die Kinder, der Franz und Anna sammt Elfe freuten sich so darauf. Kinderherzen verschmerzen so rasch, Gertrud konnte es nicht, sie war schon 18 Jahre alt.Welch' ein trauriges Wetter," sagte das junge Mädchen leise für sich,heute kommt gewiß kein Besuch!" Doch, als sollten ihre Worte Lügen gestraft werden, fuhr ein Wagen in das Gartenthor und hielt dann auf der Rampe des Hauses. Bald darauf rauschte eine junge Dame in das Zimmer und begrüßte Gertrud stürmisch.Wie geht es Dir, Geliebte? Prächtig, nicht wahr? Ach Du hast es himmlisch hier," sagte sie an das Kaminseuer tretend, welcher Contrast, wenn man von draußen kommt! Wunderst Du Dich denn gar nicht, daß ich zu Dir komme? Oh, es ist ein furchtbares Wetter!"Aber Du bist ja gefahren, liebe Leonie," sagte Gertrud lächelnd, da hast Du doch von dem Unwetter nicht zu leiden gehabt!"Doch mehr als Du glaubst! Ja, wer solch eine elegante Equipage hätte, wie Ihr! Aber diese Droschkenfenster lassen so viel Wind durch! Auch war ich im Nebengarten bei armen Leuten, da hat der Sturm mich arg gefaßt,