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Menschen genommen! Aber Alle, Alle sagen, es würde im Stift bald ganz wieder hergestellt sein!"Unser Leben steht allezeit in Gottes Hand, auch das Leben Ihres Kleinen, er soll ja so sehr, so sehr" Gertrud brach ab, sie wagte nicht weiter zu sprechen, Frau Müller sah sie so ängstlich forschend an:Ach sprechen Sie es aus, Fräulein Walter!" Ja, liebe Frau Müller, ich halte es für meine Pflicht, das Kind soll, nach menschlicher Ansicht, hoffnungslos krank sein!" Die arme Frau war sehr bleich geworden.Es war also nur um mich zu täuschen," flüsterte sie, dann drückte sie Gertruds Hand und sagte fast unhörbar:Ich danke Ihnen, Sie meinen es gut mit mir!" Gertrud drückte die Hand wieder und sagte dann sanft:Und was soll ich nun für Sie thun?"Ach, wenn Sie hingehen wollten zur Frau Justizrath und ihr Alles sagen, daß ich's nicht mehr aushalten könnte, daß sie mich nicht für undankbar halten möchte! Sie wird recht böse sein, es hat ihr so viel Mühe gemacht! Sie muß auch viel im Stifte bezahlen ach, und wenn ich für meinen Willy nur für einen Groschen Milch täglich habe, dann ist es ja genug! Und pflegen und warten ist ja eine Freude für uns! Wissen Sie, liebes Fräu­lein, im Stifte nehmen sie eigentlich keine kleinen Kinder auf und wissen auch wohl nicht damit umzugehen! Er weinte so sehr, wie ich das erste Mal da war, ich wollte ihn aufnehmen, aber die Dame, die man dort Schwester nennen muß, litt es nicht, sie sagte: «Nein, gute Frau, das geht nicht an, wir dürfen dem Kinde nicht angewöhnen es umherzutragen, dazu haben wir hier keine Zeit!» Und als ich weinend meinen Kopf an des Kindes Gesichtchen legte, und mich das arme Ding erkannte und noch lauter zu weinen anfing, da sagte die Schwester, es wäre Zeit für mich fortzugehen, ich müßte nun überhaupt einmal vierzehn Tage fortbleiben, damit das Kind mich vergessen lernte." Bei dieser Erzählung flössen die Thränen der armen Frau reichlich, auch Gertrud war recht bewegt von dem Leid der Armen und versprach gleich morgen zur Frau Justizräthin zu gehen und ihr Möglichstes zu thun. Die arme Frau Müller dankte und ging beruhigter fort. Gertrud schritt erregt im Zimmer auf und ab, da trat der Vater herein.Was ist Dir, mein Kind?" fragte er gütig. Das Mädchen umschlang seinen Hals und so mit ihm auf und ab schreitend, erzählte sie Alles. Er ließ sie ruhig aussprechen, dann sagte er:Auf das Stift mußt Du nicht schelten, mein Herzenskind, das ist eine segens­reiche Anstalt! Es sind gewiß viele Schwerkranke dort, und die Schwester hat ganz Recht, wenn sie sagt, daß das Kind nicht fortwährend gewartet