werden kann, auch darin, daß es ruhiger wird, sich eher gewöhnt, wenn es die Mutter nicht so oft sieht! Ich muß Dir aber auch wieder Recht geben, daß dies sehr hart für die Frau Müller ist, und daß solch kleines Kind wohl nirgends besser aufgehoben ist, als eben bei der Mutter! Brühls haben es gut gemeint, aber das war ein falsches Wohlthun, das Kind der Mutter zu entreißen! So geh' denn morgen hin zur Frau Justizräthin, es ist kein angenehmer Weg, die Dame läßt sich so schwer von ihren Mei­nungen abbringen!"Das wohl," sagte Gertrud,aber die Freude dann von der Frau Müller, wenn das Kind wieder kommt, wird groß sein! Ach, auch für mich, lieber Papa!" Herr Walter schloß sein Kind in die Arme und küßte es herzlich auf die weiße Stirn. Da kamen die Kinder herein- gesprungen und das Gespräch hatte für heute ein Ende.

Wieder verging ein Tag und Gertrud war zu der Frau Justizräthin gefahren, die sie auch zu Hause traf, Leonie hingegen war ausgegangen. Die Dame hatte sie anfänglich sehr freundlich empfangen, aber als Ger­trud mit rührender Innigkeit von dem Anliegen der Frau Müller erzählt hatte, änderte sie ihr Benehmen und sagte spitzig:Mein liebes Kind, Sie sind noch so sehr jung und nehmen sich schon heraus die Handlungs­weise einer Frau zu tadeln, die Ihnen an Jahren weit überlegen und an Lebenserfahrungen so viel reicher ist!"Ach wie könnte ich Sie zu tadeln wagen," erwiderte Gertrud,Sie haben es ja so gut gemeint mit der armen Frau!"Ja, gut gemeint! Aber dieses Volk verdient es nicht! Wie viel Lauferei und Mühe habe ich damit gehabt, dieses elende Ge­schöpf in's Stift zu bringen; kaum ist es geschehen, so verlangen diese Leute die Rückgabe! Oh, es ist kaum zu glauben! Und Sie, Gertrud, sollten sich auch schämen den Leuten in ihrer Undankbarkeit beizustehen, ja sie selbst werden die Frau wohl zu diesem Schritte aufgehetzt haben, ich erinnere mich, daß Leonie mir gleich erzählte, Sie hätten sich über die Trennung von Mutter und Kind mißliebig ausgesprochen!" Gertrud war ganz empört. Diese schnöde Behandlung für ihr gutes Wollen hatte sie nicht verdient, kam ihr zu unerwartet und es fehlte nicht viel, so wäre sie in Thränen ausgebrochen. Doch sie bezwäng sich und sagte:Frau Müller war schon drei Mal bei Ihnen, um für sich selbst zu sprechen, doch waren Sie nie zu Hause, und deshalb habe ich ihr versprechen müssen zu Ihnen zu gehen. Oh, hätten Sie die arme Frau selbst reden hören, Sie würden anders urtheilen! Sie war Ihnen so dankbar und war so ängstlich, daß Sie sie der Undankbarkeit zeihen würden, falls sie ihr